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Aléa Torik

Gespräch mit Katharina Bendixen für den poetenladen
»Zwischen echt und fiktiv
können wir nicht unterscheiden«
  Gespräch
Aléa Torik in poet nr. 15
Thema der Gespräche in poet nr. 15 ist Literatur und Peripherie
Aléa Torik wurde 1983 in Sieben­bürgen/ Rumänien geboren, studierte Lite­ratur­wissen­schaften in Buka­rest und Berlin und promoviert über Fiktionalität. 2012 erschien ihr Debüt Das Ge­räusch des Werdens, 2013 folgte der Roman Aléas Ich (beide Osburg Verlag). Von Mai 2009 bis Mai 2013 führte sie das vielbeachtete Blog aleatorik.eu. Hinter Aléa Torik verbirgt sich der Autor Claus Heck, der 1966 in Essen geboren wur­de und Philosophie und Literaturwissenschaften in Berlin studierte.


Katharina Bendixen: Als ich dich im Januar für das Interview anfragte, wusste ich noch nicht, dass sich hinter Aléa Torik ein 47-jähriger Mann namens Claus Heck verbirgt. Thematisch ist das auch sehr passend, trotzdem fangen wir mit dem Inhalt deiner Bücher an.

Aléa Torik: Das finde ich gut. Aus­nahmsweise geht es nicht um Identität und Ge­schlechter­rollen, sondern um Text. Ich habe ja tatsächlich zwei Bücher geschrieben.

K. Bendixen: Der Prota­gonist in deinem ersten Roman Das Geräusch des Werdens ist ein blinder Fotograf. Er steht also auf zwei Weisen an der Peripherie: am Rand der Gesell­schaft und am Rand der Wahr­nehmung. Was hat dich daran gereizt?

A. Torik: Gestoßen bin ich auf das Thema durch zwei Begegnungen: Ich hatte als Jugend­licher Kontakt zu einem blinden Jungen. Als ich zu studieren begann, ist dieser Junge gestorben, und ungefähr zur selben Zeit erzählte mir eine Kommili­tonin von einem blinden Foto­grafen, dem Slowenen Evgen Bavcar. Ich wollte schon lange Schrift­steller werden, und plötz­lich wusste ich: Das ist mein Thema! Mich hat daran die spezielle Welt­erfahrung gereizt. Unser wesent­licher Sinn ist aus­ge­schlossen, die anderen Sinne müssen über die normalen Maße hinaus aktiviert werden.

K. Bendixen: Das Geräusch des Werdens spielt in großen Teilen in dem rumänischen Dorf Marginime. Marginime liegt in einer Sackgasse, dahinter türmen sich Berge auf. Was hat dich an dieser Abge­schieden­heit interessiert?

A. Torik: Eigentlich interessierte mich vor allem das Thema Stadt. Und dafür brauchte ich einen Gegenpol: Um zu verstehen, was Grün ist, brauche ich Blau. Um zu verstehen, was Ehrlich­keit ist, brauche ich Unehrlichkeit. Und um zu verstehen, was Stadt ist, brauche ich das Land, das Dorf­leben, vielleicht auch die Ur­sprüng­lich­keit. Um diesen Gegensatz ging es mir vor allem, und ich habe immer wieder gehört, dass die Pas­sagen auf dem Dorf beson­ders gelungen sind. Dabei habe ich nie auf dem Dorf gelebt, das war alles Projek­tion. Und da spielte schon etwas hinein, was sich dann spä­ter erst offen­barte, als ich mich fragte, warum Aléa Torik gerade aus Rumänien stammen musste, einem Land, das nicht unbe­dingt den besten Ruf hat. Eine Bekannte sagte, dass das doch sehr offensichtlich sei, Rumänien steht für Romanien, das Land, in dem man Romane schreibt. Und in dem Land bin ich wirklich richtig.

K. Bendixen: Jetzt sind wir schon mitten in dem riesigen Pseudonym-Thema, das vor allem im Internet eine unglaubliche Eigendynamik entwickelt hat. Bevor wir darüber sprechen, lass uns nochmal zu den Büchern zurückkehren: Mir hat auch gefallen, dass Das Geräusch des Werdens eine Familien­geschichte über mehrere Generationen erzählt, das aber ganz anders tut als diese typischen Drei-Gene­rationen-Familien-Romane, die alle nach einem ähnlichen Strick­muster funk­tio­nieren. Zum Beispiel enthält der Roman nur sehr wenig Zeitgeschichte, hast du dich bewusst von etwas abgesetzt?

A. Torik: Die Geschichte hat sich einfach so entwickelt, das kam auch aus dem Thema Blindheit. Absetzen wollte ich mich nicht. Ich glaube, ich habe als sehr unbegabter Mensch zu schrei­ben begonnen, mit dem Thema habe ich mich fast zwanzig Jahre herumgeschlagen, nicht nur mit dem Stoff, sondern auch damit, Interes­senten dafür zu finden, also Stipen­dien, einen Verlag oder Agenten. Zunächst spielte der Roman in einem namenlosen Ost­europa. Erst später, als ich Aléa Torik erfand, habe ich das ein bisschen auf Rumä­nien umgeschrieben. Aber ich hatte nicht viel Ahnung von rumä­nischer Geschichte, und historische Ver­satz­stücke hätten in den Text auch gar nicht gepasst. Einmal habe ich eine Absage bekommen mit der Begründung, das sei zwar alles außerordentlich gelungen, aber der deutsche Leser könne die rumänische Mythologie darin nicht verstehen. Dabei hatte ich keine Ahnung von rumänischer Mythologie! Da habe ich gedacht, das muss die richti­ge Richtung sein, wenn das Falsche als echt angenommen wird.

K. Bendixen: Um die Unterscheidung zwischen falsch und echt, zwischen fiktiv und real geht es in deinem zweiten Roman, Aléas Ich, den ich völlig anders wahrnehme. Das Geräusch des Werdens ist klassisch erzählt, wie bist du dann zu der Meta­fiktionalität gekommen?

A. Torik: Da muss ich weiter ausholen, das hat mit meiner Erfolglosigkeit zu tun. Jahrelang habe ich am Geräusch des Werdens geschrieben, in der Zeit habe ich mehr als dreihundert Bewerbungen verschickt und nur Absagen bekommen. Irgend­wann war ich völlig ver­zweifelt, ich wusste, ich muss damit aufhören. Ich muss mit dem Schreiben aufhören, das bringt mich um, und das meine ich jetzt nicht meta­phorisch. Ich habe angefangen, mit Pseudonymen zu experimentieren, oder eher mit Begriffen. Ich bin auf das Wort Aleatorik gestoßen und habe das Blog eröffnet. Schnell habe ich gemerkt, dass ich nicht nur eine Internetseite haben will, sondern eine Identität. Mir ist aufgefallen, dass man das Wort ja in Aléa Torik teilen kann – eben ein weiblicher Vorname –, und ich bin auf Siebenbürgen gekommen. Und gleichzeitig habe ich gedacht, das ist Blödsinn, ich kann kein Blog unter einer weib­lichen Identität führen. Ich muss anrufen können, um zu fragen: Haben Sie mein Manu­skript bekommen? Außerdem habe ich keine Ahnung von Rumänien. Irgend­wie fand ich das trotzdem interes­sant. Und dann habe ich als Aléa Torik viel im Internet gemacht, zum Beispiel habe ich mich an einem Blog über Unendlicher Spaß von David Foster Wallace beteiligt. Bald fing an, womit ich überhaupt nicht gerechnet habe: Ich bekam Briefe voller Zuneigung, ich bekam sogar Liebes­gedichte, die Leute wollten Aléa Torik kennen­lernen. Um das zu verhindern, habe ich Ausreden erfunden: ihre Mit­bewohnerin, ihre Eltern, ihren Exfreund, Liebes­kummer. Plötz#-lich hatte ich das Roman­personal zusammen, und ich hatte auch ein Thema: Eine Frau aus Rumänien promoviert zum Thema Fiktionalität und schreibt an ihrem zweiten Roman, und nach und nach stellt sich heraus, dass alles, was sie da erzählt, alle Figuren und Umstände erfunden sind. So ist Aléas Ich entstanden.

K. Bendixen: Also hat sich Aléa Torik verselbständigt?

A. Torik: Es gab zwei Züge in entgegengesetzte Richtungen: Es fiel mir wahnsinnig leicht, meine männliche, deutsche, völlig erfolglose Schreiber­identität aufzulösen in eine weib­liche, rumänische, sehr begabte, kluge. Indem ich die Figur erfunden habe, bin ich selbst zu der Figur geworden, das war ein sehr interes­santes Ver­schmel­zungs­erlebnis. Heute würde ich tat­sächlich sagen, die Romane hat Aléa Torik geschrieben. Ich musste aller­dings im Laufe der Zeit feststellen, dass ich das unmög­lich so weiter betreiben kann. Vor allem die Sympathie von Männern war mir sehr unan­genehm. Diese zwei Züge kann man hoffentlich auch im Roman erkennen: Aléa Torik macht sich selbst zum Thema, die Autorin erfindet die gleichnamige Figur. Dabei wird sie immer authen­tischer, und gleich­zeitig stellt sie sich immer mehr in Frage.

K. Bendixen: In ihrem Blog kommentiert Aléa Torik die Rezensionen, die zu ihren Romanen erscheinen. Eigentlich ist das ein Tabu, hast du das bewusst gemacht, um dem Autor eine größere Rolle im Betrieb einzuräumen?

A. Torik: Nein, ich hatte da kein theoretisches Konzept im Hinter­kopf. Ich habe das gemacht, weil ich glaube, dass Blogger das so machen: Sie sehen einen Text und mischen sich ein. Übrigens kann ich jedem jungen Autor nur zu einem Blog raten. Ein Roman, egal, wie durch­dacht man arbeitet, ist jahrelange Arbeit, man wird und wird und wird nicht fertig. Ein Blog dagegen zwingt einen, regelmäßig Texte zu ver­öffent­lichen, und vier­und­zwanzig Stunden später hat man eine Reaktion. Bei mir hat sich das dann allerdings ins Negative verkehrt, durch das gewaltsame Outing, das mit mir vorgenommen wurde, und durch die versuchte Skanda­lisie­rung eines Umstands, den ich als rein literarisch betrachte.

K. Bendixen: Eigentlich finde ich die ganze Sache nur insofern kritisch, als dass ich den Roman einer 30-Jährigen – oder auch eines 30-Jährigen, das Geschlecht spielt für mich keine Rolle – anders wahr­nehme als den Roman eines 47-Jährigen. Bei mehr Lebens­erfahrung erwarte ich zum Beispiel eine andere Reife in der Figuren­zeichnung.

A. Torik: Das ist der kritischen Nachfrage wert, das stimmt. Aber wenn man sich mit einer gefälschten Identität ein Blog zulegt, und zwar aus einer Notlage heraus und sehr unbewusst, wie vieles beim Schreiben unbewusst ist, dann kann man sich nicht über alle Konse­quenzen im Klaren sein. Ich konnte mir damals keine Gedanken darüber machen, ob Frauen, ob Migranten, ob 30-Jährige anders rezensiert werden, als Claus Heck das passieren würde. Natürlich werden sie anders rezensiert. Aber es wird selbst derselbe Text von zwei Rezensenten oft völlig unterschiedlich besprochen. Und auf der anderen Seite sind Alter und Geschlecht nicht so aus­sagekräftig für einen Roman, wie man vielleicht meinen könnte. Inter­es­santer finde ich etwa die Frage, ob jemand von klein auf Erfolg hat oder nicht, ob er aus einem gebildeten oder einem einfachen Elternhaus kommt. Das beeinflusst die Wahrnehmung von Texten allerdings nicht, denn niemand verfügt über diese Daten.

K. Bendixen: Aber am Ende ist das genauso unwichtig wie das Geschlecht. Der Text soll bewertet werden.

A. Torik: Die Frage nach Mann oder Frau finde ich durchaus inter­essant. Das ist die erste Unterscheidung, die wir machen, wenn wir jemandem begegnen. Egal, ob wir verheiratet sind oder nicht, ob wir treu sind oder untreu, wir fragen uns, Mann oder Frau, sprich: inter­essant oder un­interes­sant? Und das ist in meinem Fall eine ganz klare Fehlleitung. Es gibt einen sogenannten »Fiktionsvertrag« zwischen Leser und Autor, der besagt, dass es zwischen den Buchdeckeln fiktional zugeht, davor und dahinter aber echt. Aber erstens leben wir im einundzwanzigsten Jahrhundert, das Netz löst gerade die Buchdeckel auf, und das bedeutet auch, dass neue Konzepte entstehen. Und zweitens glaube ich nicht daran, dass wir konsistent zwischen »echt« und »fiktiv« unterscheiden können. Ich bin der Auffassung, dass diese beiden Begriffe sich gegenseitig durchdringen und stützen. Aber zurück zu der Differenz Männer und Frauen, auch da habe ich viel Kritik einstecken müssen. Doch wieso sollte in einem männlichen Körper nicht ein weibliches Autoren-Ich stecken? Da muss man nicht gleich mit Begriffen wie Schizophrenie kommen. In den Rezensionen zu meinen Büchern wurde mehrmals der weibliche Stil gelobt, ich habe mich aber überhaupt nicht verstellt. Es hat sich so ergeben, das war eine unbewusste Wahl, und ich habe sie mit Text ausgefüllt. Wenn ich auf Kommentare in meinem Blog reagiert habe, habe ich das als Frau getan, aber auch das war Text. Als Autor stelle ich Text zur Verfügung, mehr nicht, und Text ist geschlechtsneutral. Über Text will ich bewertet werden, ich laufe ja nicht im Leben herum und sage: Hört mal alle zu, ich bin eine Frau.

K. Bendixen: Durch deine erfundene Identität sind jetzt alle an deiner Person inter­essiert, aber dir geht es nur um den Text?

A. Torik: Ich finde den Autor völlig unwichtig. Deshalb finde ich auch die Hermeneutik etwas altbacken, diese Frage: Was will der Autor sagen? Ich als Autor will gar nichts sagen, ich lasse meine Texte sprechen. Wenn ich als Autor dazwischenfunke, funktioniert der Text nicht mehr. Ich habe auch keine Probleme damit, dass Claus Heck in keiner Bibliografie zu finden ist, sondern nur Aléa Torik, wieso auch? Sie sieht besser aus als ich, sie ist schlauer und vor allem hat sie jene Souveränität, die mir mit den Jahren etwas abhandengekommen ist.

K. Bendixen: Bestimmte Vorwürfe, von denen ich gelesen habe, finde ich auch schwierig, zum Beispiel, dass du dir das alles ausgedacht hast, um deine Bücher besser zu vermarkten. Selbst wenn das so wäre – es ist doch eher die Sache des Literaturbetriebs, wenn in ihm bestimmte Vorgaben entstehen, die offenbar Garanten für Erfolg sind.

A. Torik: Über vier Jahre ein Blog mit weit über fünfhundert Artikeln zu führen, manche davon zehn Seiten lang, und das alles nur in der Hoffnung, mehr Bücher zu verkaufen? Dieser Vorwurf ist absurd. Nein, Blog und Aléas Ich bilden eine Einheit. Im Blog berichtet Aléa Torik höchst realis­tisch von ihrem Leben, ihrer Lektüre und vom Ent­stehen von Aléas Ich. Und im Roman wird diese realistische Sicht ad absurdum geführt. Tat­sächlich taucht alle paar Jahre eine gut­aus­sehende Frau aus Osteuropa auf, die hundert­tausend Bücher verkauft, eben weil sie eine gut­aussehende Frau aus Osteuropa ist. Aller­dings, auch das spricht gegen den Marketing-Vorwurf, haben gut­aussehende Frauen etwas, was Aléa Torik nicht hat: ein Aussehen.

K. Bendixen: Also auch kein Spiel, um dem Literaturbetrieb eins auszuwischen?

A. Torik: Solche Ereignisse können schon eine Art Betriebsfest sein und mit lite­rarischen Krite­rien nichts zu tun haben. Wichtig ist: können! Das ist natürlich nicht immer der Fall. Und es stimmt, der Literaturbetrieb ist ein großes Thema in meinem Leben … oder vielmehr gar keins. Es war der Literaturbetrieb, der mir in hunderten Absagen erklärt hat, dass es keinen Schrift­stel­ler namens Claus Heck gibt. Irgend­wann habe ich es kapiert und meine Konsequenzen daraus gezogen: Aléa Torik. Und mittlerweile finde ich das völlig in Ordnung. Beim Schreiben muss man einen langen Atem haben, man muss viele Fähigkeiten entwickeln, und das braucht Zeit. Aber ich muss auch sagen, dass ich diesen ganzen Bewer­bungen viele Jahre geschenkt habe, und das war sinnlos verschwendete Lebenszeit. Denn kaum war ich eine Frau mit Migrations­hinter­grund, war der hundertfach abgelehnte Roman plötzlich »außerordentlich gut« und Aléa Torik ein »neuer Stern am Literaturhimmel«. Dabei ist die literarische Begabung, derer es bedarf, um eine 28-jährige Hochbegabte mit einem fremden kulturellen Horizont darzustellen, sehr viel größer als die einer hochbegabten 28-jährigen.

K. Bendixen: Jetzt sind wir beim Thema der letzten Ausgabe gelandet, da ging es um Literatur und Förderung. Und es war gar nicht so leicht, Interviewpartner zu finden.

A. Torik: Es gibt viel zu viele Texte und viel zu wenig Leser. Es gibt zu viele, die veröffentlichen wollen, und zu viele, die sich bei Preisen und Stipendien bewerben. Ich gehöre ja auch zu denen. Und daraus resultiert ein erhebliches Problem, nämlich dass nur wenige wirklich gefördert werden. Ganz wenige werden mit Stipendien gefüttert, alle anderen lässt man verhungern. Nicht, weil man es so spaßig findet, ihnen beim Verhungern zu­zuschauen, sondern weil man erstens deren Texte aufgrund der schieren Menge schlicht­weg nicht prüfen kann, und zweitens, weil es die fatale Tendenz gibt, das zu fördern, was schon geför­dert worden ist. Soweit ich das be­obachten konnte, wird mit Förde­rungen kein Mei­nungs­bil­dungs­prozess in Gang gesetzt, son­dern ein Markt­geschehen. Es gibt im deutschsprachigen Raum zwei­hundert­tausend Personen, die literarisch schreiben können, zwanzigtausend können es auf hohem Niveau, aber es sind nur zweihundert, die die Stipendien bekommen, die Lesungen machen und die so die Verkaufszahlen ihrer Bücher in die Höhe treiben.

K. Bendixen: Vielleicht kehren wir zum Abschluss nochmal zum Thema Literatur und Peripherie zurück: Hast du das Gefühl, dass du durch deine zwei Romane vom Rand des Betriebs mehr in die Mitte gerückt bist? Oder willst du das überhaupt? Das ist ja auch eine Entscheidung, die man treffen muss. Man kann bestimmte Dinge tun oder lassen, zum Beispiel in Klagenfurt lesen oder eben nicht.

A. Torik: Ich, Aléa Torik, stamme aus Marginime – Randgebiet oder Marginalien –, und ich möchte weiter in die Mitte. Und zwar nicht, weil ich bewundert werden will. Bewun­derung ist mir völlig egal, eben weil ich nicht glaube, dass der Autor für einen Text wichtig ist. Ich möchte in die Mitte, weil es dort Aufmerksamkeit gibt. Ich schreibe bei ungefähr achtzig Prozent dessen, was ich er­reichen kann, und ich glaube, Fort­schritte sind nur noch möglich, wenn ich mehr Aufmerk­samkeit be­komme. Und diese Aufmerk­samkeit läuft eben über den Literatur­betrieb. Wenn man den Betrieb überfallen könnte, wäre ich die erste, die das täte. Die Vermummung habe ich ja schon: jung, klug, gut­aussehend. Und, das ist bei Überfällen nicht unwichtig, ich bin mit einer ausge­prägten Gewalt­bereit­schaft aus­gestattet, mit Sprachgewalt. Man kann die Kassierer des Literatur­betriebs ja nicht einfach über den Haufen ballern, sondern muss sie mit guten Texten unter Druck setzen, dann werden sie weich. Am Ende ist es doch eine Frage des Kalibers. Hoffentlich.

K. Bendixen: Vielen Dank für das Gespräch!

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Literaturmagazin
poetenladen, Leipzig Herbst 2013
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Katharina Bendixen    2013   

 

 
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