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Klaus Modick
Bestseller
Roman
Eichborn 2006
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Lukas Domcik ist ein mittelmäßig erfolgreicher Schriftsteller und ärgert sich über ignorante Leser und seinen Lektor Scholz, der jeden Stoff darauf prüft, was Hollywood dazu sagen würde: „Er war, mit einem Wort, vom Lektor zum Produktmanager geworden, der seine Verlagsbilanzen mit spitzerem Bleistift studierte als die Manuskripte seiner 'Lieben'.“ Scholz veröffentlicht keine Bücher mehr, sondern „realisiert Projekte“ und rät seinem Autor dazu, einmal etwas Opulenteres zu schreiben, einen historischen Roman oder Dokufiktion am besten aus der Nazizeit. Die Grundlage für einen solchen
Bestseller – so auch der Titel des Romans von Klaus Modick – findet Domcik unverhofft, als eine entfernte Verwandte von ihm stirbt und ihm einen Koffer mit Dokumenten aus ihrer Kindheit und Jugend zwischen den beiden Weltkriegen hinterlässt: Von einer glühenden Anhängerin des Nationalsozialismus ist die Verwandte später geläutert zum Katholizismus konvertiert. Wenig später lernt Domcik die schöne Rachel kennen, die ein Praktikum am städtischen Theater absolviert – und ein Plan beginnt, sich in ihm festzusetzen: Sind nicht gutaussehende Autorinnen und ein quasidokumentarischer Roman der Schlüssel zu einem Bestseller?
Die Handlung des Romans nimmt nur sehr langsam Fahrt auf, eigentlich erst im letzten Drittel des Buchs. Auf den ersten 200 Seiten beschreibt Modick in aller Ausführlichkeit sein Leben als Autor, die unverhofften Erfolge und Niederlagen, seine Vorstellung von einer erotischen Frau, die Streitereien mit Scholz und seine Einstellung zum Schreiben: „Was mich interessierte und immer noch interessiert, sind gut erzählte Geschichten, und mit 'gut erzählt' meine ich eine unprätentiöse Schreibweise, die auf stilistische Effekthascherei verzichtet und zugleich Abstand zum Trivialen hält.“ Genau so kann man auch
Bestseller charakterisieren und ein unterhaltendes Element noch hinzufügen: das bitterböse Bloßlegen der Mechanismen des Literaturbetriebs.
Obwohl der Aufbau des Romans ein wenig gewöhnungsbedürftig ist – die Handlung wird auf die letzten einhundert Seiten verlegt, vielleicht auch ein Ausdruck von Modicks Weigerung, sich der Dramaturgie eines Bestsellers zu bedienen –, ist
Bestseller mit seiner Beschreibung der Verlagswelt einerseits eine höchst amüsante, oft zynische Satire auf die Verlagswelt, andererseits bestens dazu geeignet, angehende Autoren vom Veröffentlichen abzuschrecken: „Wichtig sind in Verlagen nämlich Vertrieb, Herstellung, Buchhaltung, Vertreter, Werbe- und Presseabteilung und manchmal auch noch das Lektorat. Dann kommt lange gar nichts. Dann kommen vielleicht die Autoren, die einen Bestseller verfasst haben, oder die, denen man so horrende Vorschüsse gezahlt hat, daß man sie auf Biegen und Brechen zu Bestsellern machen muss, um die Vorschüsse zu amortisieren. Dann kommt wieder lange nichts. Dann kommen, falls vorhanden, Nobelpreisträger aus exotischen Ländern, von denen man bis zur Entscheidung der Jury gar nicht wusste, daß man sie überhaupt im Programm hat. Dann wieder lange nichts. Dann aber natürlich die gutaussehenden, jungen Debütantinnen aus dem unerschöpflichen Fräuleinwunder-Reservoir. Dann wieder nichts. ... “
Der Plot des Romans – oder die „Plotstruktur“, wie Domciks Lektor sie bezeichnen würde – auf den letzten einhundert Seiten wirkt nach diesem ein wenig essayistischen Teil umso spannender und ausgefeilter. Ob Klaus Modick dieselben Probleme plagen wie Lukas Domcik oder ob das Anagramm des Namens nur eine selbstverliebte Spielerei ist, bleibt fraglich – die Lebensläufe der beiden Schriftsteller, des realen und des fiktiven, gleichen sich jedenfalls sehr. Das Spiel mit der eigenen Person und Biografie ist in dieser Satire jedoch gefährlich: Der Leser könnte Klaus Modick selbst am Ende für eine Karikatur seiner eigenen Romanfigur halten. Aber das ändert nichts an der Qualität des Romans. Wer sich vor dem Veröffentlichen schon einmal desillusionieren lassen oder gar selbst einen von Domcik/Modick beschimpften Beststeller verfassen möchte, ist mit diesem Buch bestens versorgt.