|
Richard Yates
Elf Arten der Einsamkeit
Short Stories
Übersetzer: Anette Grube
und Hans Wolf
München: DVA 2006
|
Elf Arten der Einsamkeit möchte Richard Yates in seinem gleichnamigen Erzählband beschreiben, den er bereits in den fünfziger Jahren verfasste und der nun erstmals auf deutsch vorliegt. Den elf Short Stories ist die Zeit, in der sie geschrieben wurden, deutlich anzumerken: Der Zweite Weltkrieg und die militaristische Gesellschaft in den Staaten sind genauso spürbar wie der zögerliche wirtschaftliche Aufschwung in den vierziger und fünfziger Jahren. Trotzdem könnten die Erzählungen ohne weiteres in die Gegenwart verlegt werden – denn sie sind genaue Studien über die Einsamkeit in elf ganz unterschiedlichen Varianten.
Keiner von Yates elf Protagonisten ist allein, aber einsam sind sie alle: der Waisenjunge, der mit Kraftausdrücken auf sich aufmerksam machen möchte, der Feldwebel, der seine Kompanie mit Schreien und harten Strafen traktiert, der Familienvater, der die plötzliche Arbeitslosigkeit seiner Frau verschweigen möchte, oder der Journalist, der seine schriftstellerische Laufbahn als Ghost Writer für einen Taxifahrer beginnt. Einen Ausschnitt aus ihrem Leben beschreibt Richard Yates mit Sätzen, die zugleich amüsieren und erschrecken. „Ein anderes Mal, gegen Ende eines merkwürdig langweiligen Abends, den wir in unserem vorehelichen Lieblingsrestaurant verbrachten, nachdem uns eine Stunde lang nichts eingefallen war, worüber wir hätten reden können, versuchte sie, das Gespräch in Gang zu bringen, indem sie sich romantisch über den Tisch beugte und ihr Weinglas hochhielt.“ Oder: „Ein Mann konnte sich selbst in den Wahnsinn treiben, wenn er versuchte, sich mitten am Nachmittag mitten auf der Lexington Avenue zu psychoanalysieren.“ Mit solchen Beschreibungen fühlt sich Yates in seine Protagonisten hinein und gibt ihre Gedanken und Erlebnisse gleichzeitig distanziert einer traurigen Lächerlichkeit preis. Leider sind diese Sätze auch gute Beispiele für die etwas unbeholfene Übersetzung, die den Lesegenuss jedoch wenig schmälert – denn Yates' Texte wirken sogar in einer holprigen Übersetzung.
Die Besonderheit an den in
Elf Arten der Einsamkeit versammelten Erzählungen ist ihr plötzlicher Anfang und ihr plötzliches Ende: Mit dem ersten Satz jeder Geschichte eröffnet Yates eine Welt, die trotz ihrer Alltäglichkeit eine Faszination ausübt, der man sich weder entziehen kann noch möchte. Selbst der Mikrokosmos der Kranken im TB-Gebäude, die zu Silvester die Krankenschwester mit einem makabren Schauspiel unterhalten, gewinnt Yates ästhetische und liebenswerte Aspekte ab. Und so schnell der Einstieg in die Erzählungen gelingt, genauso schnell sind sie auch wieder vorbei. Mit einem Satz, der wie nebenbei geschrieben scheint und der doch bereits wieder eine neue Handlungsstränge eröffnet, beendet Yates seine Erzählungen und überlässt seine Protagonisten wieder ihrem einsamen Alltag – und der amüsiert vor den Kopf gestoßene Leser wird in die nächste Erzählung geschickt. In
Elf Arten der Einsamkeit sind temporeiche Short Stories versammelt, für deren Lektüre man sich Zeit nehmen muss, weil sie große Welten eröffnen, die so schnell nicht wieder zu vergessen sind.