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Hallgrímur Helgason
Rokland
Roman
Klett-Cotta 2006
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Rokland ist nicht etwa ein isländisches Dorf oder eine nordische Landschaft, sondern das Haus, in dem ein Isländer namens Böddi lebt. Nach diesem Haus ist der Roman benannt, und Titel und Cover signalisieren bereits: Hier wird gerockt, hier geht es zur Sache. Der Klappentext lässt das Buch umso interessanter erscheinen: Ein Kampf gegen die Allgegenwart des Fernsehens, gegen Coca Cola und die allgemeine Verflachung und Verblödung wird versprochen. Das klingt zwar schnodderig, aber gut. Gegen das Fernsehen sollte vielleicht häufiger gekämpft werden, auch in der Literatur.
Leider bleibt der Roman
Rokland des isländischen Autors Hallgrímur Helgason hinter seinen Ambitionen – oder hinter den vom deutschen Verlag formulierten Ambitionen? – zurück. Die Story ist in wenigen Sätzen zusammengefasst: Böddi ist Lehrer und wird von der Schule verwiesen, nachdem er bei einem Klassenausflug die Schüler zwei Tage in einer Art Höhle hat sitzen lassen, um ihnen zu zeigen, wie das Leben ohne Fernsehen und Zivilisation funktioniert. Böddi fristet nun seine Arbeitslosigkeit im Keller von Rokland, die Mutter als Dauerfernseherin eine Etage über ihm. Wenig später verbringt er ein Schäferstündchen mit Dagga. Dagga wird schwanger und bringt Böddis Sohn in der Nacht zu Welt, in der seine Mutter stirbt. Und dann überschlagen sich die Ereignisse: Böddi erfährt, dass er doch nicht der Vater des Kindes ist, muss aus dem elterlichen Haus ausziehen und macht sich auf in die Hauptstadt, um die Revolution auszurufen.
Helgasons Roman spielt in einer Welt, in der die Menschen Sjöfn Ingólfsdóttir oder Bödvar Halldór Steingrímsson heißen und in der sechs Grad bereits eine sommerliche Temperatur bedeuten. Die Besonderheiten Islands und die Skurrilitäten seiner Bewohner bringt er dem Leser auf eine subtil-ironische Art und Weise nahe. Die Beschreibung der kleinen Dorfwelt und der Exotik des Landes in
Rokland macht wirklich Spaß. Das rockt.
Helgasons Protagonist Böddi jedoch ist so unscharf und in großen Teilen unglaubwürdig gezeichnet, dass das Buch seine Grundlage verliert. Böddi ist ein Gegner des Fernsehens und der Gesellschaft im Allgemeinen, erfahren wir im Klappentext. Und Böddi schreibt seine Pamphlete gegen die Dorfgemeinschaft in seinen Blog und macht seine defätistische Einstellung damit dem ganzen Dorf zugänglich. Doch die Blogeinträge von Böddi scheinen dem agierenden Böddi komplett zu widersprechen. Böddi übersetzt Hölderlin, aber reicht das, um sich aus der Gesellschaft auszuschließen? Böddi wirft einen kleinen Jungen in eiskaltes Wasser, aber drückt das seine Isolation aus?
Vor allem auf den letzten Seiten des Buches, als sich Böddi in die Hauptstadt begibt und dort die Revolution ausrufen möchte, führt Helgason seinen eigenen Protagonisten vor und macht ihn lächerlich, indem er ihn einfach als einen Geisteskranken zeichnet, statt sich seiner ernsthaft anzunehmen. Damit führt er die eigentlich interessanten Ambitionen von Böddi ad absurdum und macht lediglich einen verirrten Schalk aus ihm. Schade. Schöner wäre es gewesen, wenn ein geistig gesunder Mensch ganz Island im Fernsehen dazu aufgefordert hätte, alle Fernseher aus dem Fenster zu werfen.