Bildreiche Anthologie
Miriam Zedelius (Hrsg.) – Disco in Chihuahua
Wie einfach ist wohl eine Disco in Chihuahua – tanzen doch die Mexikaner zu jeglicher Musik, die Hauptsache für sie ist eine Melodie und ein Rhythmus, nach dem sie sich bewegen können. Deshalb ist es nur natürlich, dass ein Schallplattenunterhalter lieber nach Mexiko auswandert, als sich weiter Musikwünsche von geschmacklosen und unterhaltungssüchtigen Berlinern anhören zu müssen. So schnell können Probleme verschwinden. Schwieriger dagegen ist es, die musikalische Verantwortung für den Schwan im Karneval der Tiere zu tragen: Da kann ein Cellist schon einmal Schweißausbrüche und einen Tunnelblick bekommen, und nach Mexiko auszuwandern, wäre dann auch keine Lösung.
Miriam Zedelius versammelt in ihrem literarisch-grafischen Debüt Disco in Chihuahua, das an der Leipziger Hochschule für Graphik und Buchkunst (HGB) entstand, dreiunddreißig Texte über Musik, mit Musik, über Lieblingslieder, Songtexte oder einfach nur Gedichte, die durch ihren Rhythmus bereits musikalisch sind. Zedelius bat bekannte Autoren, von denen sie gerne einen Beitrag in ihrem Buch finden würde, um Texte zu ihren Lieblingsliedern, außerdem sprach sie Studenten am Deutschen Literaturinstitut Leipzig an – diese aktive Autorenakquisition hat trotz der thematischen Einschränkung ein facettenreiches Buch entstehen lassen. Neben Schriftstellern wie Amelie Fried, Florian Illies oder Jakob Hein finden sich in Disco in Chihuahua auch eine Reihe von Poetenladen-Autoren, unter anderem Carl-Christian Elze, Ulrike Almut Sandig, Roman Graf und Mara Genschel. Und selbst Janosch hat für Miriam Zedelius auf Anfrage ein Gedicht geschrieben.
Der Beitrag und die künstlerische Leistung von Miriam Zedelius bestehen neben ihrer Tätigkeit als Herausgeberin vor allem darin, jeden einzelnen Text illustriert zu haben. In ihren Illustrationen fängt sie Momente aus den Texten ein, gibt ihre eigene persönliche Interpretation oder fügt einen weiteren Blick auf den Text hinzu. Die Illustrationen reichen von einfachen Skizzen über detailreiche Darstellungen bis hin zu Bildergeschichten. Weil die Zeichnungen den Texten folgen, statt ihnen vorauszugehen, funktionieren sie als zusätzliches Element, ohne die Geschichten einzuschränken oder sie im Vorhinein mit einer Bedeutung aufzuladen. Gleichzeitig sind die Illustrationen aber so ausdrucksstark und auf die einzelnen Texte zugeschnitten, dass vor dem inneren Auge die Geschichte sofort wieder auftaucht, wenn man nach der Lektüre noch einmal in der Anthologie blättert.
Miriam Zedelius hat für ihr Buch vor allem Geschichten ausgewählt, die ihr gefielen und zu denen Bilder in ihrem Kopf entstanden. Das merkt man dem Buch an einigen Stellen an: Es sind Texte dabei, die sonst wohl nicht den Weg in eine Anthologie gefunden hätten. Aber wenn nach einer solchen Geschichte ein Bild auftaucht, das die Grundstimmung des Textes einfängt, ist manche traurige Formulierung schnell wieder vergessen.
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Miriam Zedelius (Hrsg.)
Disco in Chihuahua
Ein Musik-Geschichten-Bilder-Buch
Illustrationen: Miriam Zedelius
Leipzig / Halle 2006.
Auflage von 100 nummerierten Exemplaren
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Das Buch ist im im Sekretariat des DLL (Wächterstraße 34, Leipzig) erhältlich und in der Wörtersee-Buchhandlung (Karl-Liebknecht-Straße, Leipzig).
Miriam Zedelius im Poetenladen
© 08.02.2006 Katharina Bendixen Print
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