Der erste Roman des 1980 geborenen, bisher mit Arbeiten für das Theater hervorgetretenen Schweizers Lorenz Langenegger erzählt in kurzen, ruhigen, fast schon abgeklärten Sätzen vom Alltag eines schlichten Helden, aus dessen Perspektive eine unspektakuläre Welt im Präsens erscheint. Jakob Walter, knapp 30, kinderlos verheiratet, ist Sachbearbeiter bei der Steuerverwaltung in Bern, ein unauffälliger Typ, der nicht recht weiß, was er mit seiner Freizeit anfangen soll; so auch am „Nationalfeiertag“ und dem anschließenden Wochenende. Es regnet unablässig, seine Frau ist zu ihren Eltern gefahren, ihm selbst wird ohne sie das Alltäglichste zum Problem, etwa weshalb er seit zehn Jahren in Bern lebt oder warum seine Schildkröte gestorben ist. Als er erfährt, dass sein einziger Freund Rolf, Kneipenwirt und ehemals Verteidiger beim FC Yong Boys, verschwunden und wahrscheinlich in der Aare ertrunken ist, scheint Jakob Walter die Selbstkontrolle zu verlieren. Spontan nimmt er den Zug nach Locarno, wo er in einem „labilen Übergangszustand“ auf der Piazza Grande steht und sich „Rolfs Hand auf die Schulter“ wünscht. Vor dem Casino beobachtet er den fabelhaft lockeren Tennisstar Roger Federer beim Autogrammgeben. Zufällig trifft er einen ehemaligen Kollegen, der ihn in seine Ferienwohnung einlädt. Derweil herrscht in Bern Hochwasser, und Jakob, der sich einbildet, im Fernsehen Rolfs Körper in der Strömung erkannt zu haben, will sofort zurück. Woran mag Rolf gestorben sein? Ist er beim Baden ertrunken oder könnte er sich selbst getötet haben? Jakob fühlt sich nicht recht dazugehörig. Er wirkt wie ein einsames Kind, dessen Aufmerksamkeit auf irritierende Einzelheiten gerichtet ist, etwa eine kranke Fliege auf dem Hosenbein. Der Umgang mit Bettlern und Kindern macht ihn verlegen. In der Straßenbahn bleibt er lieber stehen, als sich auf den vorgewärmten Sitz eines Fremden zu setzen. In solchen Momenten wird man an Romanfiguren von Emmanuel Bove oder auch Wilhelm Genazino erinnert, Autoren, deren Wahrnehmungsdichte und Detailbesessenheit Langenegger freilich nicht ganz erreicht. Vermutlich will er das auch gar nicht. Sein Held ist ein zwiespältiger Charakter: geistig anspruchslos und bürgerlich angepasst, gleichsam früh vergreist, doch zugleich eigenbrötlerisch und höchst empfindsam, ein Zauderer, der jemanden braucht, der sein Leben in Ordnung hält. Kein „Liebesnomade“ (Genazino), sondern ein Angsthase, der bewusst eine Zweckehe eingeht. Eine Unruhe wohnt in ihm, die er um jeden Preis besänftigen muss. Daraus resultiert der angenehm gleichförmige Erzählton, ein Sprachduktus, den man auch als „brav“ oder gar „langweilig“ bezeichnen könnte.
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Michael Buselmeier
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