Abdelwahab Meddeb
(Tunis 1946 – Paris 2014)
Portrait des Künstlers als Sufi (18)
du gibst alles wenn du gibst
die leidenschaft treibt dich an
du bist teil des uhrwerks das himmel
und sterne bewegt die erde ein erloschener stern
ihr licht ein feuer das sie verzehren wird
hier muss es gewesen sein dass einer
die apokalypse sprach ein wind verweht
den impuls an dem du teilhast dieses feuer
soll er stillen es geht ums überleben
nicht so sehr um den frieden
herrliche frau in der erklingt
das ende des rosengedichts das glücks
rad blüht darin auf kreis im kreis der kosmos
dringt tief in die herzen unendliche
vision das nadelöhr auszufüllen
fenster durch das ich sehe was das auge nicht sieht
Übersetzt von Hans Thill. Aus: »Portrait du poète en soufi«, Verlag
»L'Extrême contemporain«, hrsg. von Michel Deguy, Paris, Belin, 2014.
»Er war Wanderer zwischen den Welten, genauer Beobachter und unerbittlicher Kritiker; er befasste sich mit dem mystischen Islam und lebte dennoch ganz in seiner Zeit.« Beat Stauffer
Abdelwahab Meddeb, 1946 in Tunis geboren, ging 1967 nach Frankreich, um Literatur- und Kunstgeschichte in Paris und Aix-Marseille zu studieren. Er gehörte zu den profiliertesten Vertretern der französischen Schriftsteller arabischer Herkunft, lebte als Lyriker, Essayist und Hochschullehrer in Paris und war Herausgeber der interkulturellen Zeitschrift dedale. Mit dem Buch Die Krankheit des Islam erregte er international große Aufmerksamkeit Seine Bücher erschienen u. a. übersetzt von Hans Thill im Verlag Das Wunderhorn. Er starb am 6. November 2014 in Paris.