Stele [griech.] Pfeiler, Säule als Grab- oder Gedenkstein
Die Stelen sind der Anfang einer Sammlung kleiner literarischer „Gedenksteine“ in Form eines Gedichtes jüngst verstorbener Dichter, überwiegend fremdsprachiger, aber auch deutschsprachiger. Ausgangspunkt sind unter anderem aktuelle Todesmeldungen in den poetry news. Idee und Konzept: Hans Thill.
Matthieu Messagier
(Colombier-Fontaine 1949 – Trévenans 2021)
post-verbum für unbotmäßige morgende
spät geworden die nacht wie die meisten verrichtungen
auf die kontingenten reste legt sich schon neuer schweiß
jede rolle bringt auch ihre legende mit
die klänge tünchen sich mit entwerden
noch faltig die tränensegel
da das pflügen nachtschmetterlinge zurückließ
in dunkleren färbungen
soll ihr leben in diesem reich ein ende finden
plötzliches aufleuchten aus der schräge ohne
einverständnis des skeletts
und das unerwartete brauchtum der welten
sehr dicht und sehr säkular
ein nähtelösender wurf bringt
sogar die vergangenheiten durcheinander
wie ins öhr der spielenden pole sich andere
sommer einfädeln
wenn die ode des nach-kenntlichen mit ihrem echo
ein wunder errichtet
selbst dort erstanden wo sich die seele
ohne gerüst aufrecht hält
Übersetzt von Hans Thill. Aus: Printemps des Poètes
»Weder beschreibend noch erklärend, bestätigt das Gedicht die Entfaltung der Einzigartigkeiten der Welt und antwortet seinerseits durch einen verbalen Ausbruch, ganz nach Art der Kōans im Zen.« Renaud Ego
Matthieu Messagier wurde 1949 in Colombier-Fontaine (Bourgogne-Franche-Comté) geboren und wuchs in Paris und Franche-Comté auf. 1969 veröffentlichte er seine ersten Gedichte in Anthologien und nahm Kontakt zu bildenden Künstlern auf. Zusammen mit Michel Bulteau begann er Filme zu drehen. 1971 publizierte er gemeinsam mit anderen Dichtern das Manifest Électrique aux paupières de jupes. Es stellte die Verbindung zwischen bestimmten Praktiken aus dem Surrealismus und der formalen Neuheit der Dichter der Beat-Generation her. Insgesamt verfasste er mehr als fünfzig Schriften und Bücher und wirkte auch als Maler. Matthieu Messagier starb im Juni 2021 in Trévenans (Territoire de Belfort).
31.07.2021