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Stele [griech.] Pfeiler, Säule als Grab- oder Gedenkstein
Die Stelen sind der Anfang einer Sammlung kleiner lite­rarischer Gedenks­teine in Form eines Gedichtes jüngst ver­stor­bener Dichter, über­wiegend fremd­sprachiger, aber auch deutsch­sprachiger. Aus­gangs­punkt sind unter ande­rem aktuelle Todes­mel­dungen in den poetry news. Idee und Konzept: Hans Thill.

Liste der Stelen   ↓

 

Friedrich Christian Delius
(Rom 1943 – Berlin 2022)

Boxhandschuhe auf
dem Klavier. Man weiß, welches
Auto Mozart fuhr:
auf der Kreuzung hielt er, bis
aus dem Motor ein Lied flog.

Aus: Japanische Rolltreppen, Rowohlt, Reinbek bei Hamburg 1989

 

»Von Friedrich Christian Delius gibt es auffallend lange Gedichte, wie sie Walter Höllerer in den Sechzigern gegen das modische Dichten an der Grenze zum Verstummen empfahl, und es gibt besonders kurze, gleich im ersten Band ›Kerbholz‹ von 1965. Als Delius gegen Ende der Achtziger noch einmal Gedichte schrieb, sollten sie außer kurz ›streng, kompakt gebaut‹ sein. Dafür kam ihm das Tanka mit seinem exakten Silbenmaß wie gerufen. Und wieviel an Freiheit er dieser kreativ angeeigneten Form aus Japan abgewann, zeigt dieses Tanka: Surreales, Milieuaufnahme, haltlose Behauptung und dazu Mozart im Auto, ein Lied von ihm, für eine Arie waren die Silben aufgebraucht.«
Jürgen Theobaldy

 

Friedrich Christian Delius wurde 1943 in Rom als Sohn eines deutschen Pfarrers geboren und studierte in den sechziger Jahren in Berlin Literaturwissenschaft. Er promovierte bei Walter Höllerer, ehe er als Lektor in den Verlagen Wagenbach und anschließend bei Rotbuch tätig wurde. Als Autor begann er mit gesellschaftskritischer Lyrik (Kerbholz, 1966 bei Wagenbach), in den siebziger Jahren wandte er sich unter anderem dem Roman zu. 2011 erhielt er den Georg-Büchner-Preis. Delius starb am 30. Mai 2022 im Alter von 79 Jahren in Berlin.

 

Dank an Jürgen Theobaldy | 17.06.2022