Stele [griech.] Pfeiler, Säule als Grab- oder Gedenkstein
Die Stelen sind der Anfang einer Sammlung kleiner literarischer „Gedenksteine“ in Form eines Gedichtes jüngst verstorbener Dichter, überwiegend fremdsprachiger, aber auch deutschsprachiger. Ausgangspunkt sind unter anderem aktuelle Todesmeldungen in den poetry news. Idee und Konzept: Hans Thill.
Natan Zach
(Berlin 1930 – Tel Aviv 2020)
In deinem Zimmer
Und vielleicht nur das: gelassen sein
auf dem Boden oder Bett in deinem Zimmer,
nicht traurig, auch nicht froh, ein
Lied summend mit leiser Stimme,
schauend wie du gehst und kommst, dich
kämmst und lachst und weinst,
was kochst und kostest und dann meinst,
du wärst nicht mehr hungrig.
Aus dem Hebräischen von Ehud Alexander Avner. Aus: Verlorener Kontinent,
Jüdischer Verlag, Berlin 2013
»Nathan Zachs Dichtung ist nicht nur sprachlich tief verwurzelt im Alltag des Individuums, seine Themen sind so vielfältig und im allerbesten und auch schmerzlichsten Sinne ›alltäglich‹ wie die zahlreichen widersprüchlichen Leidenschaften des Menschen, die intellektuellen ebenso wie die sinnlichen.«
Florian Hunger
Natan Zach wurde 1930 in Berlin als Sohn einer katholischen Mutter und eines jüdischen Vaters unter dem Namen Harry Seitelbach geboren und floh 1936 mit seinem Vater über Frankreich nach Haifa. 1948 wurde er Soldat der Israelischen Armee im Palästinakrieg. Anschließend studierte er in Jerusalem an der Hebräischen Universität und wurde Kopf der Gruppe junger Literaten Likrat. 1955 veröffentlichte er seine erste Gedichtsammlung Shirim Rishonim (Erste Lieder). Elf Jahre lebte er in England und wurde später Professor an der Universität Haifa. Er übersetzte unter anderem Else Lasker-Schüler, Paul Celan und Bertolt Brecht ins Hebräische. Natan Zach starb im November 2020 nahe Tel Aviv im Alter von 89 Jahren.
15.11.2020