Stele [griech.] Pfeiler, Säule als Grab- oder Gedenkstein
Die Stelen sind der Anfang einer Sammlung kleiner literarischer „Gedenksteine“ in Form eines Gedichtes jüngst verstorbener Dichter, überwiegend fremdsprachiger, aber auch deutschsprachiger. Ausgangspunkt sind unter anderem aktuelle Todesmeldungen in den poetry news. Idee und Konzept: Hans Thill.
Diane di Prima
(New York 1934 – San Francisco 2020)
Revolutionsbrief Nr. 1
Jetzt fällt mir auf: der Scheiterhaufen bin ich selbst
Sonst habe ich kein
Lösegeld mir bleibt nur mein Leben beim Stechen oder Tauschen
mein ausgemessener Geist, in Stücken verstreut über
dem Roulettetisch, um einzusetzen was geht
dem Maître Du Jeu habe ich sonst nichts unter die Nase zu schieben
aus dem Fenster hinaus zu strecken, keine weisse Fahne
dieses Fleisch ist alles was ich habe um das Spiel zu machen
mit diesem provisorischen Kopf, um etwas auszudenken, meine Bewegung
wenn wir schlittern über dieses Go Brett, springend
(hoffen wir) immer zwischen die Linien
Aus dem amerikanischen Englisch übersetzt von Hans Thill.
Aus: Revolutionary Letters. San Fransisco, City Lights Publishers 1971.
Copyright © 1971 Diane di Prima.
»Hier ist ein bisher unerhörter Ton. Die Stimme ist kratzig. Das Auge schaut. Das Herz ist dabei.«
Lawrence Ferlinghetti
Diane di Prima wurde 1934 in Brooklyn geboren und ging aufs Swarthmore College, das sie ohne Abschluss verließ, um als Dichterin in Manhattan zu leben. 1957 lernte sie Allen Ginsberg, Jack Kerouac und andere Autoren der Beat Generation kennen. Ihr erster Gedichtband, This Kind of Bird Flies Backward, erschien ein Jahr später. Sie gab Literaturzeitschriften heraus und war an der Gründung des New York Poets Theatres sowie der Poets Press beteiligt. 1978 veröffentlichte sie ihr Hauptwerk, das Langgedicht Loba. Sie publizierte insgesamt 35 Gedichtbände. Diane di Prima starb im Oktober 2020 im Alter von 86 Jahren in San Francisco.
22.12.2020