Stele [griech.] Pfeiler, Säule als Grab- oder Gedenkstein
Die Stelen sind der Anfang einer Sammlung kleiner literarischer „Gedenksteine“ in Form eines Gedichtes jüngst verstorbener Dichter, überwiegend fremdsprachiger, aber auch deutschsprachiger. Ausgangspunkt sind unter anderem aktuelle Todesmeldungen in den poetry news. Idee und Konzept: Hans Thill.
Ludwig Fels
(Treuchtlingen/Franken 1946 – Wien 2021)
Nächsten Sommer
Der nächste Sommer wird bestimmt besser.
Warum, weiß ich nicht.
Im Frühling werde ich mich verlieben
wenn es gar nicht anders geht in mich
und im August wird es regnen
das war schon immer so.
Im nächsten Sommer werde ich
Geld haben zum Reisen
ein Haus bauen, verrückt werden
erfolgreich. Es wird alles so gut werden
daß ich Sprechen und Schreiben aufgeben kann
im nächsten Sommer, wenn er da ist
werde ich meine Bücher verbrennen
und in die Asche schreiben
werde die Mülltonne füllen mit Musik
die man am Anfang der Sterne hört
mit Kochtöpfen und Flaschen voller Staub.
Dann wird es den ganzen August regnen
aber der Liebe wird das egal sein
ich weiß nicht, warum. Ich
werde keine Heimat mehr haben
frei sein von mir
und anders träumen
nicht nur im Schlaf
nächsten Sommer
wenn alles besser wird.
Früh im Jahr wird es zu schneien beginnen
aber in der Umarmung der Nacht
spürt man nichts davon
die Einsamkeit ist ein Bettler
singt vor der Haut, hat keine Tränen
ich weiß das am besten.
Dann aber, dann
ist alles gut.
Aus: Egal wo das Ende der Welt liegt. Jung und Jung, Salzburg 2010.
»Die eigenartige Schönheit, Feierlichkeit und Kompromisslosigkeit von Fels' Prosa und Lyrik protestiert gegen alles Beliebige, entzieht sich trotzdem nie notwendiger Hässlichkeit und spiegelt ebenso besessen wie uneitel das Wagnis, empfunden, gelebt, geschrieben und der Welt einen deutlichen Blick auf sich selbst zurückgegeben zu haben.« Susanne Riedel
Ludwig Fels wurde 1946 in Treuchtlingen (Franken) geboren und übte verschiedene Gelegenheitsjobs aus, ehe er 1973 seinen ersten Gedichtband Anläufe veröffentlichte. Es folgten weitere Gedichtbände, Prosatexte und sein erster Roman. 1979 erhielt er den Leonce-und-Lena-Preis. Ein großes Lesepublikum erreichte er mit dem Roman Ein Unding der Liebe, der später auch verfilmt wurde. 1983 hatte Ludwig Fels seinen Wohnsitz nach Wien verlegt, wo er nach einer schweren Krankheit im Januar 2021 im Alter von 74 Jahren starb.
13.01.2021