Stele [griech.] Pfeiler, Säule als Grab- oder Gedenkstein
Die Stelen sind der Anfang einer Sammlung kleiner literarischer Gedenksteine in Form eines Gedichtes jüngst verstorbener Dichter, überwiegend fremdsprachiger, aber auch deutschsprachiger. Ausgangspunkt sind unter anderem aktuelle Todesmeldungen in den poetry news. Idee und Konzept: Hans Thill.
(Suhl 1957 – Berlin 2023)
Meisenwerk
zwei links zwei rechts
umstricken das Zimmer
ich bin es noch immer
und fühl mich geborgen
im Kopf des Hechts
im Schwanz der Sphinx
ich schreie ich sings
der Kummer die Sorgen
sie sind es noch immer
zwei links zwei rechts
ihr süßen Beginner
da draußen am Morgen
zwei rechts zwei links
das ächzende Zimmer
am Morgen man möchts
nicht glauben sie sinds
zwei links zwei rechts
im grünen Geflimmer
der Baumkronen rings
die sausenden Korken
des Meisengeschlechts
Aus: Christoph Buchwald, Ulf Stolterfoht (Hrsg.) Jahrbuch der Lyrik. S. Fischer, Frankfurt 2008, S. 140
»Er war einer der bemerkenswertesten deutschen Lyriker. Als Persönlichkeit zeichnete sich Andreas Koziol durch Noblesse, einen gelassen-genauen Blick auf die Mitwelt und hintergründigen Humor aus.«
Peter Geist
Andreas Koziol wurde 1957 in Suhl (Thüringen) geboren und studierte in Naumburg und Berlin Theologie. Er schloss sich der Ostberliner Literatur- und Kunstszene des Prenzlauer Bergs an und gab mit Rainer Schedlinski die Untergrundzeitschriften Ariadnefabrik heraus, die sich als Sprachrohr der nicht staatlichen Literaturszene verstand. Später gehörte er zu den Mitbegründern des Galrev Verlages. Seit 1985 veröffentlichte er Gedichte, oftmals in Zusammenarbeit mit grafischen Künstlern und Künstlerinnen. Andreas Koziol starb am 16. Mai 2023 im Alter von 66 Jahren in Berlin.