Stele [griech.] Pfeiler, Säule als Grab- oder Gedenkstein
Die Stelen sind der Anfang einer Sammlung kleiner literarischer Gedenksteine in Form eines Gedichtes jüngst verstorbener Dichter, überwiegend fremdsprachiger, aber auch deutschsprachiger. Ausgangspunkt sind unter anderem aktuelle Todesmeldungen in den poetry news. Idee und Konzept: Hans Thill.
(Schlieren bei Zürich 1948 – Goslar 2024)
Fuzzhase I
Fuzzhase hockt im Nachtkästchen und sinnt
auf Schlimmeres
Der Mond ist kein Ei für euren Schmieröl-Herzkraut-
Seufzophon-Beethoven-Weinessig-Salat
Wer eine Zwiebel an den Himmel hängt
muß auch den Trauermarsch blasen
Ein mutiges Ja zum Waldsterben, Herr Oberlemmy!
Fuzzhase hockt im Nachtkästchen und sinnt
auf Schlimmere
Aus: Fuzzhase. Gedichte.Ammann, Zürich 1988
»Er ist ein Sprachextremist, der aus der ›Verzweiflung über die unüberbrückbare Kluft zwischen der Sprache und ihrem Gegenstand‹ ästhetische Konsequenzen zieht. Die Konsequenz nämlich, dass erst einmal demontiert werden muß, was einen semantischen Herrschaftsanspruch vor sich herträgt. Wo Tiefsinn und feierliche Metaphysik auftrumpfen wollen, werden sie von Allemann gleich entzaubert.«
Michael Braun
Urs Allemann wurde 1948 in Schlieren bei Zürich geboren und wuchs in Bonn und Berlin auf. Nach dem Studium der Germanistik, Anglistik und Soziologie war er Redakteur der Zeitschrift Theater heute und beim Feuilleton der Basler Zeitung. Urs Allemann lebte seit 2013 in Goslar als freier Schriftsteller und Poesie-Performer. Zu den Gedichtbänden, die er veröffentlichte, gehören unter anderem Fuzzhase (1988), Holder die Bolder (2001) und In Sepps Welt. Gedichte und ähnliche Dinge (2013). 2014 erhielt er den Schweizer Literaturpreis und 2024 den Erich-Fried-Preis. Urs Allemann starb im Alter von 76 Jahren im November 2024 in Goslar.