Stele [griech.] Pfeiler, Säule als Grab- oder Gedenkstein
Die Stelen sind der Anfang einer Sammlung kleiner literarischer Gedenksteine in Form eines Gedichtes jüngst verstorbener Dichter, überwiegend fremdsprachiger, aber auch deutschsprachiger. Ausgangspunkt sind unter anderem aktuelle Todesmeldungen in den poetry news. Idee und Konzept: Hans Thill.
(London 1949 – ebenda 2023)
Cargo
gestampfter Boden ein Spiegel
gerade in einer Drehung dann zu schlierigen Untiefen
Du kannst dort auf einen Anker stoßen drei Fuß lang
oder Pfeilspitzen, Schlüssel dampfend
von perlenhaft aufgefädelten Säften abgeschickt als Klumpen als Schwall
hier lauert ein Dämon oder eine Ratte vielleicht
huscht ein gemauertes Fass hinab weit weg vom Zwillingskopf
im luftigen Hochland auf der Wiese
aus ihm soll trinken ein Vogel oder ein Pferd
doch die Jahre nebeln sich ein ein Bach wird zum Graben
erstickender Gulli so abgegriffen die Geschichte ist
noch immer klebt Battle Bridge den Brill an Black Mary's Hole
weshalb der Holzweg nur auf Kurs bleibt wo keiner rudert
Aus: Collected Sonnets, Shearsman Books, Bristol 2019. Übersetzung von Hans Thill.
»Selerie ist ein Dichter der Ortes, er beschreibt urbane und ländliche Umgebungen gekonnt und mit Genauigkeit ... er ist ein Dichter der Geselligkeit, Schöpfer zartester Lyrik ... und er ist ein rastlos experimenteller Autor, immer bemüht, den Rahmen dessen zu sprengen, was ein Gedicht leisten kann.«
Ian McMillan
Gavin Selerie wurde 1949 in Hampstead, London, geboren. Seit den frühen 1980er Jahren veröffentlichte er Gedichtbände und Essays sowie Rezensionen zur Lyrik. Zu seinen bekanntesten Bänden gehören Azimuth (1984), Roxy (1996) und Hariot Double (2016). Häufig arbeitete er mit Musikern und Performern zusammen. Er lehrte am Extra-Mural Department, University of London, und an der Birkbecks University. Gavin Selerie starb im Juli 2023 in London.