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Stele [griech.] Pfeiler, Säule als Grab- oder Gedenkstein
Die Stelen sind der Anfang einer Sammlung kleiner lite­rarischer Gedenks­teine in Form eines Gedichtes jüngst ver­stor­bener Dichter, über­wiegend fremd­sprachiger, aber auch deutsch­sprachiger. Aus­gangs­punkt sind unter ande­rem aktuelle Todes­mel­dungen in den poetry news. Idee und Konzept: Hans Thill.

Liste der Stelen   ↓

 

John Burnside
(Dunfermline Schottland 1955 – Fife 2024)


Spätvorstellung

Jetzt schaue ich nur noch Wiederholungen
oder Filme über Gänse,

und warte doch auf das Wunder von
damals in den frühen Schwarz-Weiß-Filmen,

wo alle so aussehen wie wir und
glücklich enden, irgendwo, klug genug,

diesen Ort nie für
selbstverständlich zu halten.

Im Norden Kanadas
ist jetzt Sommer

und Vögel, die aussehen wie meine Schulfreunde,
tanzen auf einem Gelände aus Moos und Tauwetter,

und während ich zusehe, sammelt sich die Dunkelheit
langsam um mich herum, Wärme und Ruhe, ein Geschenk,

solange die Vögel
auffliegen oder Lucille Ball

den Bildschirm erhellt
wie jemand, der schon immer dort war.

Übersetzt von Hans Thill. Aus: Black Cat Bone, Jonathan Cape, London 2011

 

»Burnsides Bücher gilt es für alle Zeit aufzuschlagen und darauf zu warten, wie sich plötzlich etwas löst und in uns hineinweht, wenn wir hinschauen, hinlauschen und hinlesen.«
Jan Wilm

 

John Burnside wurde 1955 in Dunfermline, Schottland, geboren und arbeitete zunächst als Industriearbeiter in einer Fabrik der Automobilzuliefererindustrie, ehe er in Cambridge Englisch und europäische Sprachen studierte. 1988 erschien sein Gedichtband The Hoop, der mit dem Scottish Arts Council Book Award ausgezeichnet wurde und eine Beeinflussung von T. S. Eliot erkennen lässt. John Burnside verfasste neben Gedichten mehrere Romane sowie Hörspiele und Erzählungen, die auch ins Deutsche übersetzt wurden. Er starb im Mai 2024 nach kurzer Krankheit im Alter von 69 Jahren.