Stele [griech.] Pfeiler, Säule als Grab- oder Gedenkstein
Die Stelen sind der Anfang einer Sammlung kleiner literarischer Gedenksteine in Form eines Gedichtes jüngst verstorbener Dichter, überwiegend fremdsprachiger, aber auch deutschsprachiger. Ausgangspunkt sind unter anderem aktuelle Todesmeldungen in den poetry news. Idee und Konzept: Hans Thill.
(Jesús Maria 1948 – ebenda 2022)
Besuch
hat er unser Haus erreicht.
Wir gehen alle hinaus
um ihn zu umarmen,
weil er Nachrichten von unserem Bruder hat.
Er spricht von trockenen Feldern,
dem Hunger in den Städten,
zeigt Fotos.
Nach dem Mittagessen
tragen wir ihm
die süsseste Frucht des Pflaumenbaums auf.
Und er hat sie gegessen
wenn auch ohne Freude.
Aus dem Spanischen übersetzt von Hans Thill. Aus: Patio solo (Alción Editora, Córdoba/Arg. 1986)
»So werden ihre kurzen Elegien trotz einem Hauch von Nostalgie, der dem Genre innewohnt, zu einer Bejahung des Lebens. In der Freude an irdischen Dingen: ›eine Überraschung mit Pflaumen‹. Sie liebt die Welt so sehr, dass ihre Vision, selbst wenn sie aus der letzten Einsamkeit heraus an sie denkt, zuweilen in freudigen, naiven und kindlichen Farben erstrahlt.«
Alejandro Nicota
Susana Cabuchi wurde in Jesús Maria, Chile 1948 geboren. Ihre schriftstellerische Ausbildung begann sie bei Alfredo Martínez Howard. Anfang der 1970er Jahre war sie Mitglied der Gruppe Taller del Escritor (Werkstatt des Schreibers), zusammen mit Francisco Colombo, Juan Croce, Eduardo Curuchet, Daniel Vera, Julio Castellanos, Susana Aguad und Daniel Moyano. Bis 1993 war sie Direktorin der Abteilung für Literatur, Theater und Geschichte (der Provinz), einer von ihr gegründeten Einrichtung von Jesús María. Sie ist Preisträgerin nationaler und internationaler Literaturwettbewerbe. Zahlreiche Veröffentlichungen, vorwiegend bei Alción. Susana Cabuchi ist am 26. Juli 2022 verstorben.
09.10.2022