Stele [griech.] Pfeiler, Säule als Grab- oder Gedenkstein
Die Stelen sind der Anfang einer Sammlung kleiner literarischer „Gedenksteine“ in Form eines Gedichtes jüngst verstorbener Dichter, überwiegend fremdsprachiger, aber auch deutschsprachiger. Ausgangspunkt sind unter anderem aktuelle Todesmeldungen in den poetry news. Idee und Konzept: Hans Thill.
Cédric Demangeot
(Chambray-lès-Tours 1974 – Saint-Jean-de-Verges 2021)
Aus: Trockene Jahreszeit
Ein Klischee-Morgen.
Mit Kikeriki als Ohrfeige.
Es weiter versuchen.
*
Meisterwort des Verzichts.
Seine Aufhebung ermöglicht Welt.
Seine Gegenwart setzt sie außer Kraft.
*
Die Haut des Bären
umgedreht, gestohlen, verkauft:
So läuft er weiter, der Bär.
*
Hohle Leute.
Auf euren Schädeln mache ich Musik.
Keine große Sache.
*
Sein Leben plündern.
Um es auf Distanz auszukosten.
Entvielfältigung.
*
Gelegenheit nicht ergriffen.
Ich hüpfe beim Gehen.
Am Rand meiner Geste.
*
Die Stille
hat Dichte.
Ein Riß.
Verlust
an Eigenschaft.
Ein Wort
zuviel
*
Der Oger legt ein Ei:
aus dem Ei schlüpft ein Oger.
Der Oger frißt ein E:
er verschlingt einen Oger.
*
Und die Nacht geht weiter.
*
Sommerhimmel mit Vögeln überladen.
Unmöglich, den Kopf zu heben.
Zuviel Raum.
Zuviel Platz für die Einbildung.
Einen zu vereiteln.
*
Satan ist scheitern.
Übersetzt von Hans Thill. Aus: Cédric Demangeot, Pour personne, dessins d’Ena Lindenbaur,
lecture d’Alexandre Battaglia, éditions L’Atelier contemporain, 2019.
»Auffällig bei Demangeot ist der lyrische Wille, aus Ruinen eine neue poetische Kraft zu erwecken. Und neuen Schwung aus der Erschöpfung. In der krass zerstörerischen Geste zur Frische zurückzufinden.«
Laurent Albarracin
Cédric Demangeot wurde 1974 in Chambray-lès-Tours geboren und veröffentliche seit der Jahrtausendwende Lyrik und Texte zur Literatur. Ebenso trat er als Übersetzer hervor und übertrug unter anderem Werke von Lokenath Bhattacharya aus dem Bengalischen. Er war Gründer der Zeitschrift Moriturus und leitete die Editions fissile, die seit 2004 zeitgenössische Dichter publiziert. Zuletzt veröffentlichte er die Gedichtbände Un enfer (2017) und Promenade et guerre (2021). Cédric Demangeot starb im Januar 2021 in Saint-Jean-de-Verges (Südfrankreich).
14.02.2021