Stele [griech.] Pfeiler, Säule als Grab- oder Gedenkstein
Die Stelen sind der Anfang einer Sammlung kleiner literarischer „Gedenksteine“ in Form eines Gedichtes jüngst verstorbener Dichter, überwiegend fremdsprachiger, aber auch deutschsprachiger. Ausgangspunkt sind unter anderem aktuelle Todesmeldungen in den poetry news. Idee und Konzept: Hans Thill.
Pia Juul
(Korsør 1962 – Frederiksberg 2020)
Mir graust vor der Schönheit der Kirschblüten
Mir graust
vor der Schönheit der Kirschblüten
Sie will mir ein Gedicht entlocken wie aus
der guten alten Zeit,
mit Tau im Gras (glitzernd)
und Reif (funkelnd)
des Jahres Lauf besungen:
Wieder Frühling!
Wieder Frühling!
Mir aber graust
Denn kommt überhaupt
ein Frühling wieder; ich
will den Zweifel besingen.
Übersetzt von Peter Urban-Halle. Aus: Peter Urban-Halle/Henning Vangsgaard, Licht überm Land. Dänische Lyrik vom Mittelalter bis heute. München Hanser, 2020.
»Von ihren ersten, eher minimalistischen Gedichten bis hin zu den späteren erzählenden gab es bei ihr immer dieses beunruhigende Nebeneinander von tiefem Ernst und schwarzem Humor, sie sind ironisch und ergreifend zugleich.«
Peter Urban-Halle
Pia Juul wurde 1962 in Korsør auf Seeland (Dänemark) geboren und studierte Englisch an der Universität Aarhus. Bereits 1985 publizierte sie ihr Lyrikdebüt mit levende og lukke. Es folgten mehrere Kurzgeschichten- und Gedichtsammlungen, für die sie unter anderem den Beatrice-Preis der Dänischen Akademie und den Montana-Literaturpreis erhielt. Zu ihren bekanntesten Werken gehören der Roman Mordet på Halland (Auf Deutsch erschienen unter dem Titel Das Leben nach dem Happy End) und der Gedichtband Radioteateret (2010). Pia Juul starb im September 2020 im Alter von 58 Jahren in Frederiksberg.
23.10.2020