Stele [griech.] Pfeiler, Säule als Grab- oder Gedenkstein
Die Stelen sind der Anfang einer Sammlung kleiner literarischer „Gedenksteine“ in Form eines Gedichtes jüngst verstorbener Dichter, überwiegend fremdsprachiger, aber auch deutschsprachiger. Ausgangspunkt sind unter anderem aktuelle Todesmeldungen in den poetry news. Idee und Konzept: Hans Thill.
Barbara Köhler
(Burgstädt/Sachsen 1959 – Mülheim/Ruhr 2021)
In the movies
»Film ist vierundzwanzigmal
Wahrheit pro Sekunde«
Jean-Luc Godard
Vierundzwanzigmal pro Sekunde
laufe ich mir davon kommt etwas
auf mich zu sagt: Ich
laufe davon bin fest
gehalten in den Bildern
die laufen ein Massaker
jede Bewegung eine Wendung
im Schlaf in vierundzwanzig
Stück pro Sekunde Stunden
der Tag zerteilt eine gepreßte
Stimme die Tonspur sagt: Ich
hab mich verlaufen sehe vor
lauter Bildern den Film nicht
den Stillstand sehe mich vor
vierundzwanzig Feststellungen
pro Sekunde bewegt die Hand
in den Mund gestopft: Leben
tut weh Madame beißen Sie zu.
Aus: Blue Box. Swujhrwkjamxp, Franjkfjurt/Main 1995.
»Meine Texte im Raum sind [...] mit einer gewissen Geduld ausgestattet, mit einer Papiergeduld, auch wenn sie nicht zugeklappt sind. Sie stören niemanden. Und wenn es ein Interesse gibt, muß man einen Schritt darauf hin zu machen. Es ist eine Herausforderung ohne Handlungsanweisung nötig, damit das Lesen wirklich etwas aktivieren kann – Denken.«
Barbara Köhler wurde 1959 in Burgstädt (Sachsen) geboren und absolvierte nach dem Abitur in Plauen eine Ausbildung in der Textilbranche als Facharbeiterin, ehe sie verschiedene Tätigkeiten am Chemnitzer Theater übernahm. Anschließend studierte sie am damaligen Literaturinstitut R. Becher in Leipzig. 1991 erschien ihr erster Gedichtband Deutsches Roulette. Seit 1994 lebte Barbara Köhler in Duisburg. Für den Band istanbul, zusehends erhielt sie 2016 den Peter-Huchel-Preis. Barbara Köhler starb nach langer Krankheit im Januar 2021 im Alter von 61 Jahren in Mühlheim / Ruhr.
14.01.2021