Stele [griech.] Pfeiler, Säule als Grab- oder Gedenkstein
Die Stelen sind der Anfang einer Sammlung kleiner literarischer „Gedenksteine“ in Form eines Gedichtes jüngst verstorbener Dichter, überwiegend fremdsprachiger, aber auch deutschsprachiger. Ausgangspunkt sind unter anderem aktuelle Todesmeldungen in den poetry news. Idee und Konzept: Hans Thill.
Clayton Eshleman
(Indianapolis 1935 – Ypsilanti 2021)
die sekunde
alte damen
stochern
im weg,
ein sterbendes feuer,
bläulich
mit pinien dorthin
wo gräber
erstehn, aus-
rufe
über herbst-
knospen, ein
grossbaby
gewaschen,
der himmel entstellt
ihr flehen,
ich sehe
die strasse herauf
kommen
meine frau,
nackt, die
arme gefüllt
mit wilden
kräutern,
karotten bohnen
Übersetzt von Hans Thill. Aus: poetrymagazine
»Eshlemans Gedichte und Essays […] sind je nachdem ekstatisch oder komisch, und während es in ihnen immer um etwas geht, was man investigative Poesie und Poetik nennen kann, oft düster und erschreckend in ihrer genauen Einschätzung des gegenwärtigen menschlichen Zustands.«
Pierre Joris
Clayton Eshleman wurde 1935 in Indianapolis, Indiana, geboren und studierte Musik, Wirtschaft und Philosophie. Einige Jahre lebte er in Kyōto und widmete sich der Übersetzung von Pablo Neruda und vor allem von César Vallejo. 1967, zurück in den USA, gründete er die Literaturzeitschrift Caterpillar. Anfang der siebziger Jahre ging er nach Kalifornien und nahm einen Ruf an der der School of Critical Studies an. Seit den siebziger Jahren trat er verstärkt selbst als Dichter hervor. 2011 wurde in deutscher Sprache ein Band seiner Gedichte aus der Zeit von 1974 bis 2010 veröffentlicht (Die Friedhöfe des Paradieses, übersetzt von Jürgen Brôcan). Clayton Eshleman starb im Januar 2021 im Alter von 85 Jahren in Ypsilanti (Michigan).
31.05.2021