Stele [griech.] Pfeiler, Säule als Grab- oder Gedenkstein
Die Stelen sind der Anfang einer Sammlung kleiner literarischer „Gedenksteine“ in Form eines Gedichtes jüngst verstorbener Dichter, überwiegend fremdsprachiger, aber auch deutschsprachiger. Ausgangspunkt sind unter anderem aktuelle Todesmeldungen in den poetry news. Idee und Konzept: Hans Thill.
Claude Vigée
(Bischwiller 1921 – Paris 2020)
S´Boot im àlté Rhî
Es wààrt schun làng
e schwàrzes schiffel im ried :
es schlooft im schilf
àn de roschtiche kett.
Fer wenne denn ? fer wenne denn ?
fàhrt's endli helluf sunnewärts,
odder rutscht's bàll runter
bis én de blinde sumpf ?
Wer weiss es denn ? wer weiss es denn ?
Quelle: Poesiemuziketc
»Ich bin ein elsässischer Jude, also doppelt Jude und doppelt Elsässer.«
Claude Vigée
Claude Vigée wurde 1921 als Claude Strauss in Bischwiller geboren und schrieb Gedichte auf französisch, elsässisch und westjiddisch. Seine Jugend verbrachte er Bischweiler und Straßburg; durch den deutschen Einmarsch wurde er aus dem Elsass vertrieben. Er studierte an der Universität Toulouse Medizin, ehe er sich der Résistance anschloss. 1943 floh er in die USA und lehrte dort französische Sprache und Literatur. Später lebte er in Israel und unterrichtete an der Hebräischen Universität in Jerusalem. In seinen Gedichten, die er seit 1950 regelmäßig veröffentlichte, war sein Thema vor allem die Auseinandersetzung mit dem Leiden der Juden im Elsass. Zuletzt lebte er in Paris, wo er im Oktober 2020 mit 99 Jahren starb.
08.10.2020