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Stele [griech.] Pfeiler, Säule als Grab- oder Gedenkstein
Die Stelen sind der Anfang einer Sammlung kleiner lite­rarischer Gedenks­teine in Form eines Gedichtes jüngst ver­stor­bener Dichter, über­wiegend fremd­sprachiger, aber auch deutsch­sprachiger. Aus­gangs­punkt sind unter ande­rem aktuelle Todes­mel­dungen in den poetry news. Idee und Konzept: Hans Thill.

Liste der Stelen   ↓

 

Manfred Peter Hein
(Darkehmen/Ostpreußen 1931 – Espoo 2025)


Unbenachbart


Wo Schlaf in Schlaf die Angel legt
unter Wasser steht der Wald
Weiß in Schwarz schmilzt

Neunschwänzige Katze geduckt am Weg
Pfeil im toten Winkel
zähl bis zehn ich

Niedergebrannt die Dörfer Gesichter
zerfleischt Bilder, ich peitsch
zusammen ins Aug

unbenachbart lauert mir auf und
Ich schrei schrei schrei aus
mich der ich war

Verrenkter Baum Hier dein Schatten

Aus: Braun, Thill (Hrsg.): Das verlorene Alphabet. Deutschsprachige Lyrik der neunziger Jahre.
Wunderhorn, Heidelberg, S. 16. © Manfred Peter Hein

 

»Gedichte, die frei sind vom Wortmüll der Gegenwart, der uns den Blick auf die Dinge verstellt, jenseits aller mehrfach verwendeten Trends und Tendenzen angesiedelt.«
Hans Christoph Buch (1984)

 

Manfred Peter Hein wurde 1931 in Darkehmen (Ostpreußen) geboren und wuchs nach der Flucht aus seiner Heimat in Deutschland auf. Nach einem Studium der Germanistik und Skandinavistik in Helsinki und Göttingen arbeitete er als Literaturwissenschaftler und Übersetzer in Finnland. Er veröffentlichte zahlreiche Gedichtbände, in denen sich deutsche und skandinavische Sprachräume berühren. Für sein lyrisches Werk wurde er unter anderem mit dem Peter-Huchel-Preis und dem Rainer-Malkowski-Preis ausgezeichnet. Zuletzt veröffentlichte er den Gedichtband Fährten im Zeitdämmerareal (Wallstein 2020). Manfred Peter Hein starb im Mai 2025 im Alter von 93 Jahren in Espoo, Finnland.