Stele [griech.] Pfeiler, Säule als Grab- oder Gedenkstein
Die Stelen sind der Anfang einer Sammlung kleiner literarischer „Gedenksteine“ in Form eines Gedichtes jüngst verstorbener Dichter, überwiegend fremdsprachiger, aber auch deutschsprachiger. Ausgangspunkt sind unter anderem aktuelle Todesmeldungen in den poetry news. Idee und Konzept: Hans Thill.
Alexander Mironow
(Leningrad 1948 – Sankt Petersburg 2010)
* * *
Schrecklich, das Licht auszuschalten, vielleicht bleibt das Herz stehn
Oder die Ratte im Finstern faltet die Pfötchen zur Muschel,
Betend, daß ihr nicht einkommt im Wahn
Sich zu wärmen an warmer Wange.
Licht ist schon lange Unlicht. Schrecklich, nicht zu löschen den Wahn.
Schalt ihn aus, und sie kommen: falten die Hände zur Ruh,
Den Gebetsstreifen dir auf die Stirn – und ab in den Sarg mit der Zierde
Und verbrennen – und du willst erwachen.
Doch das Schrecklichste freilich: Tatatá-Tatatá,
Wo die Kinder im Finstern den Kater anzünden
Wo die Tagteufel nichts als schreiben und schreiben
Und der Mißbrauchverfluchte weht und weht.
2003
Übersetzung: Olga Martynova und Elke Erb
»Seine Gedichte wird man kennen und lieben, solange die russische Sprache besteht. Weil er über die Hölle mit der Stimme eines Seraphs erzählte.«
Olga Martynova
Alexander Mironow wurde 1948 in Leningrad/Sankt Petersbur geboren, wo er sein ganzes Leben verbrachte. Arbeitete er als Bibliothekar, Buchhändler, Wächter usw.
Ende der 60er Jahre Mitglied der avangardistischen Literaturgruppe „Helenukten“, wurde er einer der beliebtesten Dichter der Leningrader inoffiziellen Literaturszene der 70-80er Jahre. 1981 wurde ihm der Andrej-Bely-Preis, der einzige inoffizielle und unabhängige Literaturpreis der Sowjetunion, verliehen.
„Normale“ Veröffentlichungen (d.h. nicht in Samisdat-Zeitschriften und russischen Exilverlagen) konnten erst seit den 90er Jahren zustande kommen. Lyrikbücher:
Metaphysische Freuden (1993),
Ausgewählte Gedichte (2002),
Ohne Feuer (2009).
Alexander Mironow ist am 19. September 2010 gestorben.
06.02.2011