Baptiste-Marrey
(Paris 1928 – Paris 2019)
Marina in der Ferne
Vanves im städtischen Abseits,
auf den Höhen von Vanves schon fast ein Slum.
Schlechtes Foto, schmierendes Schwarz,
zu ahnen ein schwerer Kippkarren
mit Pferd.
Die Armut verbirgt sich im Abseits,
die Poesie ebenfalls.
Trotz moderner Sanierung
(Stil Grand Standigne, Buslinie usw.)
der Kasten bleibt unfreundlich.
Enge Öffnungen, »Watte
verstopft die Ohren«*
abweisende Tür unter der Gedenktafel »Grabplatte«*
Von hier zog Marina los, auf sich zu
nehmen in Fleisch, Blut und Geist
das Tragische, eine Falle (Mann, Tochter, Sohn)
»dumpfe Schläge«
hielten die Bolschewisten für sie bereit.
Das Exil der Sprache ist für den Dichter
das schlimmste,
es führt um Strick,
es führt zum Tod.
Die Landungsbrücke von Jelabuga
aus Birkenholz, schwimmend
auf dem riesigen See klaren Wassers,
das in unendlichen Steppen ertrinkt,
dort in usbekischen Gefilden
(man verliert sich im grenzenlosen Raum
bewacht vom unsichtbaren KGB)
Wie weit ist Moskau!
Und Vanves! Und Frankreich!
»Tonnenweise Gleichgültigkeit«* sah sie kommen.
Dichterin ohne Grab.
Als Stimme nah.
Vanves, Samstag 23. Januar 2016
*Zitate aus einem Gedicht, das Marina Zwetajewa 1935 in Vanves geschrieben hat,
ins Französische übersetzt von der Bloschewistin Elsa Troilet (Gallimard 1988).
Übersetzt von Hans Thill.
»Nicht mit Worten zurückhaltend war Baptiste-Marrey auch nicht mit seinem kritischen Blick, wenn es um destruktive Tendenzen ging, etwa im pariser Viertel seiner Kindheit, ausgehend von den Totengräbern jeglicher Kulturpolitik oder um eine Amnesie, die schließlich jenen in die Hände spielte.« Patrick Beurard-Valdoie
Baptiste-Marrey wurde als Jean-Claude Marrey 1928 im Pariser Quartier Bercy geboren und verbrachte Kindheit und Jugend in der Pariser Region. Nach dem Abitur arbeitete er im Verlagswesen und übernahm später auf Empfehlung von Albert Camus die Stelle des Generalsekretärs am Centre Dramatique de l'Est in Straßburg. Seit früher Zeit schrieb er Beiträge für Radio und Theater. Unter dem Namen Baptiste-Marrey begann er ab Mitte der siebziger Jahre ein vielfältiges literarisches Werk, darunter Gedichte, Romane, Essays und Biographien. Baptiste-Marrey starb 2019 mit 91 Jahren in Paris.