Stele [griech.] Pfeiler, Säule als Grab- oder Gedenkstein
Die Stelen sind der Anfang einer Sammlung kleiner literarischer „Gedenksteine“ in Form eines Gedichtes jüngst verstorbener Dichter, überwiegend fremdsprachiger, aber auch deutschsprachiger. Ausgangspunkt sind unter anderem aktuelle Todesmeldungen in den poetry news. Idee und Konzept: Hans Thill.
Bella Achmadulina
(Moskau 1937 – Peredelkino 2010)
Der Schneider sagt: Es kommt der Mai,
man muß jetzt alles anders nähen,
ja, ja, so sage ich zu ihm,
man muß jetzt alles anders sehen.
Die Perlenschnur wird neu gemacht,
die Schere schneidet in den Haaren,
man möchte in ein andres Land,
zum Beispiel durch Grusinien fahren.
Übersetzung: Kay Borowsky. Aus:
Russische Lyrik im 20. Jahrhundert. Ausg. vnd übertr. von Kay Borowsky. Tübingen: Heliopolis 1991
»Den Gedichten der Bella Achmadulina ist anzusehen, wie schwer das Leben und das Atmen fiel, wenn man den sowjetischen Raumes nicht verlassen und dennoch unbeugsam bleiben wollte. Ihre komplexen poetischen Äußerungen waren das Ergebnis solch unglaublicher Anstrengungen, die keinem aufrechten und intelligenten Menschen erspart blieben.«
Michail Berg
Bella Achmadulina wurde am 10. April 1937 in Moskau geboren und starb am 29. November 2010 im Alter von 73 Jahren im Künstlerdorf Peredelkino nahe Moskau .
Die Dichterin und Übersetzerin Bella (Isabella) Achmadulina mit russischen, tatarischen und italienischen Wurzeln veröffentlichte mit fünfzehn Jahren ihren ersten Lyrikband „Die Saite“. Zusammen mit ihrem ersten Ehemann Jewgeni Jewtuschenko gehörte sie u.a. zu den Vertretern der Epoche des „Tauwetters“, die mit Stalins Tod 1953 begann.
08.12.2010