Christoph Meckel
(Berlin 1935 – Freiburg i. Br. 2020)
Als ich erwachte
Als ich erwachte,
waren die Städte schon über alle Berge,
kein Stein mehr rollte, kein Gras mehr verriet,
wohin der Fels zog mit seinen Wanderdünen,
die Flüsse waren verreist, im Treibsand gingen
die letzten Haie auf große Jagd.
Ein Morgenstern hing schimmernd hoch in Helle,
doch meine Welt war ausgewandert,
ich lag am Ort, wo einmal Wälder standen,
den letzten Kuckuck in der Hand.
Aus: Nebelhörner. DVA, Stuttgart 1959
»Was aus der Poesie heraus gesagt wird, führt unmittelbar in die Poesie zurück – Ich sage Mond – da schwebt er. Ich sage Stein – da liegt er. Ich sage Haus – da steht es. Poesie setzt den Gegenstand und sein Wort in eins.« Christoph Meckel
Christoph Meckel wurde 1935 in Berlin geboren und studierte Grafik an der Kunstakademie in Freiburg und München. Er veröffentlichte zahlreiche Prosa- und Gedichtbücher sowie Radierzyklen. Sein Werk wurde mit bedeutenden Preisen ausgezeichnet, so zuletzt mit dem Hölty-Preis, dem Johann-Peter-Hebel-Preis und dem Lyrikpreis Orphil. Zu seinem 80. Geburtstag erschienen seine gesammelten Gedichte unter dem Titel Tarnkappe bei Hanser. Christoph Meckel starb im Januar 2020 in Freibug im Breisgau.