Christopher Middleton
(Truro, England 1926 – Austin, Texas 2015)
Salami in Romanshorn
Jene Salami in Romanshorn, so
gut, sie schmeckte so
gut,
eine Scheibe, die erste, die nächste, und
das Brot, weiß, nicht
zu viel Esels-
Knorpel, noch Rauch, ein Stück
vom besten, ein Scheibchen, sagte sie,
über dem Menschlichen,
und setzte das Buch ab, nicht
das Allergrößte, gerade dort,
gegenüber der Salami, damit das Buch
auch zu Essen bekäme, ich meine,
ihr ähnlicher würde, oder
die Salami bewundere, ein
Bißchen, mag sein, auch lese.
Wo war dies? Am Strand? War
Anderes im Gange rings
um die Welt? Vieles, doch sieh, wenn
etwas von Bedeutung war
jenseits dieser Salami und
des Buches, Beliebiges, gewiß dann
wüßte sie gern davon.
Übersetzt von Ernest Wichner. Aus: Christopher Middleton, Im geheimen Haus.
Wunderhorn, Heidelberg, 2009.
»Für Middleton hat Poesie sehr viel damit zu tun, aus der Sprache die Imagination als Erfahrung oder einen Augenblick zu lösen, indem sie zu ihrem eigenen Impuls finden und sich auf einer Buchseite entfalten läßt. Sie verabscheut ›Reportage‹ oder einen ›brachialen Diskurs‹, führt einen Feldzug gegen ›schmachtende Idiome‹. Sie improvi siert.« August Kleinzahler
Christopher Middleton wurde am 10. Juni 1926 in Truro / Großbritannien geboren und wirkte als Lyriker Übersetzer und Esssayist sowie als Dozent. Er war Deutsch-Lektor am King's College der Universität London und Professor für Deutsche Literatur an der University Texas. Seit 1972 war er Mitglied der Berliner Akademie der Künste und erhielt u.a. den Geoffrey Faber Memorial Prize. Middleton veröffentlichte zahlreiche Gedichtbände, Prosa, Essays, Übersetzungen und literaturhistorische Studien. 2008 erschien bei Carcanet Press in Manchester der umfangreiche Sammelband seiner Collected Poems, der Gedichte von 1948 bis 2007 enthält. Er starb im November 2015 im Alter von 89 Jahren in Austin, Texas.