Stele [griech.] Pfeiler, Säule als Grab- oder Gedenkstein
Die Stelen sind der Anfang einer Sammlung kleiner literarischer „Gedenksteine“ in Form eines Gedichtes jüngst verstorbener Dichter, überwiegend fremdsprachiger, aber auch deutschsprachiger. Ausgangspunkt sind unter anderem aktuelle Todesmeldungen in den poetry news. Idee und Konzept: Hans Thill.
Claude Beausoleil
(Montreal 1948 – ebenda 2020)
Die Sprache in jedem
diese Parzelle des Unbekannten
zu kennen den toten Abend
fensterlos und in Trauer
da die Straße Übergänge
bereit hält für die Sintflut
du ahnst meine Angst
was nicht zu sagen ist
könnte einmal beanspruchen
ganz vorn auf der Bühne zu stehen
und ich betrete die Stille allein
Nacht aus Schatten
mit Feuerrädern
wartend schreibe ich
das Unwiderlegbare hat
bereits andere Kapriolen
im Sinn
Übersetzt von Hans Thill. Aus: Lyrikline
»Immer schrieb er und las viel. Er war ein wichtiger Botschafter der Poesie und Kultur von Quebec, ein Dichter großem Atems. Mit Freuden sprach er von unseren Schriftstellern überall, auch denen, die er persönlich nicht so mochte. Er hatte viel Humor und war immer sehr offen für andere.«
Bernard Pozier
Claude Beausoleil wurde 1948 in Montreal geboren und studierte an der dortigen Universität Literatur. 1972 begann er Gedichte zu publizieren, die durch die besondere kulturelle Situation seiner französischsprachigen Heimatregion Québec geprägt sind. Er unterrichtete an der frankophonen Hochschule in Longueuil und war Direktor der Zeitschrift Lèvres Urbaine. Literarisch engagierte er sich auf internationalen Literaturfestivals und Kolloquien und war Mitglied der Académie Mallarmé. Claude Beausoleil starb im Juli 2020 im Alter von 71 Jahren in Montreal.
19.08.2020