Stele [griech.] Pfeiler, Säule als Grab- oder Gedenkstein
Die Stelen sind der Anfang einer Sammlung kleiner literarischer „Gedenksteine“ in Form eines Gedichtes jüngst verstorbener Dichter, überwiegend fremdsprachiger, aber auch deutschsprachiger. Ausgangspunkt sind unter anderem aktuelle Todesmeldungen in den poetry news. Idee und Konzept: Hans Thill.
Dilip Chitre
(Baroda/Indien 1938 – Pune 2009)
In der Vorhölle
Dick Bakken kam mit seinem alten Lieferwagen angefahren
Und war aufgeputzt wie ein Fräuleinwunder der Poesie
Und Kazuko kam die ganze Strecke von Tokio her
Und trug die Maske einer Geisha
Doch immer noch düster und rasch wie ein selbstmörderischer Samurai
Burt trug einen schwarzen Poncho und wirkte
Wie ein mittelalterlicher Abenteurer mit Strubbelbart
Nach welchen Drehbüchern spielen wir
Ich werde einen Hindu spielen müssen
Nach all diesen Jahren nur weil ich zufällig
Hier bin?
Poesie ist die seltsamste Form des Inzests
Mit so vielen verschiedenen Körpern
Machen Leute Liebe und haben das gleiche im Kopf
Und fühlen sich immer
Nahe am Nichts wenn sie fertig sind
Aus: Arvind Krishna Mehrotra (Hg).
Indische Dichter der Gegenwart. Wunderhorn 2006. Übersetzer: Rainer G. Schmidt
»Auch wenn das Schreiben als die wichtigste Inspiration seines Lebens galt – Chitre war ein geborener Rebell. Er fand immer den Mut, seine Sicht der Dinge äußerst freimütig zu äußern und zu verteidigen. Neben dem Schreiben liebte er Farben und auch Skulpturen.«
The Times of India
Dilip Chitre wurde am 27. September 1938 in Baroda, Indien, geboren und starb am 10. Dezember 2009 in Pune, Indien.
Er dichtete in Englisch und in seiner Muttersprache Marathi und gehörte zu den angesehensten Vertretern der indischen Gegenwartsliteratur. Neben seiner Arbeit als Autor war er auch Maler und Filmemacher. Zweimal erhielt er den Sahitya-Award (1994), die höchste Auszeichnung der Literaturakademie in Indien.
14.12.2009