Eavan Boland
(Dublin 1944 – ebenda 2020)
Haus der Schatten. Heim von Simile
An einem regnerischen Nachmittag im Sommer
kam ich mit der Hand an ein Regal und ich fand
einen alten Florin. Irland, 1950
Wir sagen wie oder als und die Welt ist
ein Fisch, gemünzt in Silber und Alu,
ein Ausflug aller Kinder,
ein Abend im Sandford Kino,
eine Papiertüte mit Brausekristalle und
sags nochmal, dann sehen wir
androgyne Engel, Ecken an einem Kreis,
und wie der Körper anarbeitet gegen das Mögliche –
und niemand wird uns jetzt oder jemals sagen
warum es endet, warum
es immer endet.
Hier habe ich in der Hand
zwei ganze Shilling, nichts wert
bemerke wie schwer die Münze ist, wie nutzlos.
Und wie im kühlen Schatten von Nirgendwo
ein Lachs in die Höhe schießt, um ein Wehr zu finden
und nicht einmal wissen kann,
daß es nie da war.
Übersetzt von Hans Thill. Aus: Poetry Magazine, Okober 2006.
»Boland versteht es meisterhaft, Geschichte in den Konfigurationen der Landschaft zu lesen und den Raum als Registrierung der Zeit zu betrachten. Wir müssen nur richtig hinsehen, dann haben können wir die verborgenen, fragmentarischen Botschaften der Vergangenheit entschlüsseln und die Menschenleben aus den rätselhaften Wirren der Geschichte befreien.«
Clare Wills
Eavan Frances Boland wurde 1944 in Dublin geboren und studierte am Trinity College in Dublin Literatur und englische Sprache. Sie war an verschiedenen irischen Hochschulen als Dozentin tätig und später als Professorin für Englisch an der Stanford University. Erste Gedichte veröffentlichte sie mit achtzehn Jahren. 1967 brachte sie mit dem Gedichtband New Territory ihr Debüt heraus. Es folgten zahlreiche Gedichtveröffentlichungen und mehrere Prosabände. Für ihre Arbeit wurde sie vielfach ausgezeichnet. Bei seiner Amtseinführung 2016 zitierte Präsident Obama Zeilen aus ihrem Gedicht On a Thirtieth Anniversary. Im Alter von 75 Jahren starb Eavan Boland im April 2020 in Dublin.