Stele [griech.] Pfeiler, Säule als Grab- oder Gedenkstein
Die Stelen sind der Anfang einer Sammlung kleiner literarischer „Gedenksteine“ in Form eines Gedichtes jüngst verstorbener Dichter, überwiegend fremdsprachiger, aber auch deutschsprachiger. Ausgangspunkt sind unter anderem aktuelle Todesmeldungen in den poetry news. Idee und Konzept: Hans Thill.
Edouard Glissant
(Martinique 1928 – Paris 2011)
Voriges Land
In der Ferne erklang das Land. In der gepflügten Lichtung
Zwischen den hohen Falten unergründlicher Bäume
Dieser Laut, gehämmerte Bronze, zerfiel zu Gras
Wir waren zwei, Volk der Nacht und Volk der Lichtung
Voriges Land
Wir wußten nicht daß es ein Davor war
So wie der Irrfahrer den Fluß nicht kennt der ihn hier
Zerreißt mit einem Wasser wie Dornen.
Aus: Schwarzes Salz. Verlag Das Wunderhorn 2002. Übersetzt von Beate Thill
»Edouard Glissant stellte sich jedem Zwangssystem, jeder Zurückweisung des Anderen entgegen, er war der Sänger der Vermischung und des Austauschs, dessen Essays (…) die Thesen zur ›Philosophie der Beziehung‹ und der ›Poetik des Diversen‹ formulierten.«
Raphaëlle Rerolle
Édouard Glissant wurde 1928 auf der karibischen Insel Martinique geboren. Mit seinen zahlreichen Romanen, Essay-und Lyrikbänden avancierte Glissant zum sprachgewaltigen Chronisten der antillischen Geschichte und zum scharfsichtigen Ethnologen der postkolonialen Welt.
Er war der bedeutendste Autor der französischsprachigen Karibik. Glissant war seit 1993 Ehrenpräsident des Internationalen Schriftstellerparlaments. Er lebte in Paris, auf Martinique und in New York, wo er an der Universität unterrichtete.
Er starb am 3. Februar 2011 82jährig in Paris. Seit 1983 veröffentlicht der Verlag Das Wunderhorn Édouard Glissants Werke in den kongenialen Übersetzungen von Beate Thill.
18.02.2011