Stele [griech.] Pfeiler, Säule als Grab- oder Gedenkstein
Die Stelen sind der Anfang einer Sammlung kleiner literarischer „Gedenksteine“ in Form eines Gedichtes jüngst verstorbener Dichter, überwiegend fremdsprachiger, aber auch deutschsprachiger. Ausgangspunkt sind unter anderem aktuelle Todesmeldungen in den poetry news. Idee und Konzept: Hans Thill.
Hans Bender
(Mühlhausen i. Kraichgau1919 – Köln 2015)
Selbstmörder
Vor zwei Monaten erst
und heute wieder
die gleiche Nachricht
so jung erst
und der andere
in deinem Alter
Ging nie mehr aus
die Zeit der Lärm
die Diktatur
die Freiheit
und so viel Erfolg
gerade jetzt
Nun das Gerede
die Journalisten
die Frauen Kinder
Freunde geheimnisvolle
Tabletten
Schuß in den Mund
Ohne Angabe der Gründe
ein Verlierer
ein Sieger
Furcht vor dem Kommenden
– – erlöst
und du Feigling
du zögerst
Aus: Wolfgang Weyrauch (Hg.) Neue Expeditionen. Deutsche Lyrik von 1960 – 1975. München, List, 1975
»Wenn ich eine Weltanschauung zu verkünden hätte, dann wäre es eine Weltanschauung der Zärtlichkeit. Dass wir gut zueinander sind.« Hans Bender
Hans Bender wurde am 1. Juli 1919 in Mühlhausen im Kraichgau geboren und lebte seit 1959 in Köln. Er war Herausgeber der Literaturzeitschriften Konturen (1952/53) und Akzente (1954–1980) sowie zahlreicher Anthologien, darunter Mein Gedicht ist mein Messer (1955/61), Widerspiel (1961), In diesem Lande leben wir (1978) und Was sind das für Zeiten (1988). Hans Bender war Mitglied der Akademie der Künste Berlin und der Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz. Er erhielt zahlreiche Auszeichnungen, zuletzt den Kulturpreis der Stadt Köln und die Ehrengabe der Deutschen Schillerstiftung von 1859. Hans Bender starb am 28. Mai 2015.