Stele [griech.] Pfeiler, Säule als Grab- oder Gedenkstein
Die Stelen sind der Anfang einer Sammlung kleiner literarischer „Gedenksteine“ in Form eines Gedichtes jüngst verstorbener Dichter, überwiegend fremdsprachiger, aber auch deutschsprachiger. Ausgangspunkt sind unter anderem aktuelle Todesmeldungen in den poetry news. Idee und Konzept: Hans Thill.
Henri Corbin
(Point à Pitre 1931 – Fort de France 2015)
Um auf hohe See zu gelangen
Nimm diesen Spiegel der äußersten Grenzen
Im Karibischen Meer
Durch das die Sonne Gräben zieht
Viele so viele traurige Lagunen
Alle wachsen sie nur durch ihre Stimme
Ihren Atem; ihr Blut
Und den Namen den ihre Sterne tragen
Die Insel verwandelt sich
In diesem Jahrhunderte währenden Schweigen
Wird die Piroge mit Gold und Silber
Aus dem fernen Afrika kommend
Den Ahn aufnehmen.
Der Du rinnst
Blau wie der Abend
Mische dich nicht unter die Sterne
Für Dich gibt es andere Feuer
Einen Amboss
Um das Stahl deines Blicks zu schmieden.
Aus: APAL: Prix Carbet 2005. Deutsch von Hans Thill
»Es geht in diesen Gedichten darum, die Trennlinie darzustellen, die zwischen beiden Welten des Dichters verläuft. Hier legt einer Zeugnis ab von der schmerzhaften Zerrissenheit, die lange Zeit das Los der Menschen auf den Antillen war.« Édouard Glissant
Henri Corbin wurde 1931 in Point à Pitre auf Guadeloupe geboren. Er veröffentlichte zunächst in Zeitschriften wie Esprit, Les Lettres Nouvelles und Présence Africaine und schrieb – neben Lyrik – auch Theaterstücke. Reisen führten ihn nach Europa, Nord- und Südamerika und durch die Karibik. In Martinique lehrte er später an der Lycée Polyvalent de la Pointe-des-Nègres Literaturwissenschaften. Am 14. April 2015 starb er in Fort de France, Martinique.