Stele [griech.] Pfeiler, Säule als Grab- oder Gedenkstein
Die Stelen sind der Anfang einer Sammlung kleiner literarischer „Gedenksteine“ in Form eines Gedichtes jüngst verstorbener Dichter, überwiegend fremdsprachiger, aber auch deutschsprachiger. Ausgangspunkt sind unter anderem aktuelle Todesmeldungen in den poetry news. Idee und Konzept: Hans Thill.
John Haines
(Norfolk/USA 1924 – Fairbanks 2011)
Erntehelfer
Den ganzen Tag vornüber gekrümmt,
nahmen wir volle Hände Wind und Staub.
Fetzen einer menschlichen Unterhaltung
flogen vorbei; ein Sarg auf Rädern
rollte langsam rückwärts übers
Feld und die gehäuteten
Leiber der Ernte wurden aufgeladen.
Eine rote Wolke, hochkochend aus
der Dunkelheit, wurde der Abend.
Posten einer zerschlagenen Armee,
tranken wir bitteren Kaffee und sprachen
vom Feld, vom Leichten, von Kälte.
Aus: The Owl in the Mask of the Dreamer: Collected Poems (Graywolf Press, 1993). Übersetzt von Hans Thill
»Hier spricht ein Mann, der nicht nur an einer der wenigen Grenzen der Nation gelebt hat, sondern dem es durch (...) seine unerhörte künstlerische Sensibilität gelang, diese Grenze in sein Schreiben hineinzunehmen.«
Jerry B. McAninch
John Haines wurde 1924 in Nordfolk, Virginia, geboren. Er veröffentlichte neun Gedichtbände und wurde zum Poet Laureate of Alaska ernannt. 2008 erhielt er den Aiken-Taylor-Preis für moderne amerikanische Dichtung.
Er starb am am 2. März 2011 in Fairbanks, Alaska.
25.03.2011