Stele [griech.] Pfeiler, Säule als Grab- oder Gedenkstein
Die Stelen sind der Anfang einer Sammlung kleiner literarischer „Gedenksteine“ in Form eines Gedichtes jüngst verstorbener Dichter, überwiegend fremdsprachiger, aber auch deutschsprachiger. Ausgangspunkt sind unter anderem aktuelle Todesmeldungen in den poetry news. Idee und Konzept: Hans Thill.
Jordi-Pere Cerdà
(Saillagouse 1920 – Perpignan 2011)
Vegetation
Dicht an der Tür
zittert und blinzelt die Welt,
eine blaue Weinbeere im Gold des Fensters.
Bäume, mit Sonne beschwert,
sammeln
in den Blättern ihres Buchs
die Pflanzenstunden,
und gleiten von der unendlichen Stille der Wurzel.
Manchmal bin ich Baum,
habe im Kopf das Rauschen
anderer Zweige,
die die ganze Leere vom Himmel nehmen;
und ich fühle mich,
zwischen Erde und Himmel,
als pulsierendes Blut,
belebt
wie unter einem Strahl von Planzensaft.
Aus dem Katalanischen von
Àxel Sanjosé.
»Er ist ein schroffer und einsamer Fels mitten in der Hochebene der Cerdanya. Er ist die ungeheure Anstrengung, die ganze Welt in Wort zu verwandeln, sie Signifikant und Signifikat werden zu lassen, Laut und Bedeutung, wie Valéry sagen würde.« (Àlex Susanna)
Jordi-Pere Cerdà, geboren als Antoni Cayrol am 4. November 1920 im französischen Saillagouse (katalanisch: Sallagosa), lebte seit 1960 in Perpignan (katalanisch: Perpinyà). Dichter, Erzähler, Dramatiker, war er auch ein Förderer der katalanischen Kultur in Frankreich. Seine elegischen und bukolischen Werke handeln von Liebe, Arbeit und seiner Vergangenheit im antifaschistischen Widerstand. Sein erster Gedichtband (»La guatlla i la garba«, »Die Wachtel und die Garbe«) erschien 1950, zuletzt die gesammelten Gedichte: »Suite Cerdana.« (2003). Jordi-Pere Cerdà starb am 11. September 2011.
20.09.2011