Keorapetse Kgositsile
(Johannesburg 1938 – 2018)
Verstreute Notizen für meinen Sohn
Vorsicht, mein Sohn, vor Wörtern
die den Lärm tragen von
blinder Leidenschaft, sie
tragen auch den Schleim der Illusion
der wie Eiter tropft vom gepeitschten Rücken des Sklaven
z.B. spricht man von Black Power, mit Augen
bei denen nicht zu befürchten ist, dass was man erreichen will
plötzlich sehr weiss aussieht
welche Tage werden dein Erbe sein?
welche Schatten hausen in deinem Schweigen?
Ich habe nach möglichst elegantem Ausdruck getrachtet all diese Jahre
möglichst grosser Beredsamkeit. Jetzt aber trocknet
unsere Zunge hier zu einem Haufen Maden ein, wenn wir so weitermachen
mit unserem schleimigen Tod, dem Grinsen. Vieleicht aber, dass man
es heute chic findet
vor lauter Stolz und Schönheit laut zu krakeelen, als ob man nicht wüsste:
„Sklaven und tote Leute haben keine Schönheit “
Verwirrung
in mir und um mich
Verwirrung. Diesen Schmerz gabs
früher nicht. Diesen
Schmerz gabs
nicht, weil wir es nicht geschafft haben
zu verstehen
dies Land ist mein Land
Verwirrung und geliehene Ängste
das gabs. Wir standen da wie Gestrüpp
verdorrt auf diesem Stück Erde
der Boden ausgedörrt und rissig
durch die Risse schrie ich:
Was für Formen
nehmen Einverständnis, Aufstieg an
müssen denn Leute der neugeborenen
Entschlossenheit ins Auge sehen
rollt jetzt auch keine Träne der Furcht mehr
in die Eleganz der Flammen. Ich bin gefallen
mit all den Namen, die ich bin
aber das neugeborene Auge, alt wie
die Geburt des Kindes, muss an den Tag rühren
was, in meiner Sprache gesagt, heissen
soll, heute packen wir, packen wirs an?
Übersetzt von Hans Thill. Aus: If I Could Sing, Kwela Publishers, South Africa, 2002
»Willie Kgositsiles Spektrum reicht vom eindeutig politischen Gedicht für die Öffentlichkeit über das lyrische Gedicht bis zur Konfession. Er ist eine einzigartige poetischen Stimme und auch ein begnadeter Lehrer.«
William South
Keorapetse Kgositsile (Bra Willie) wurde 1938 in Johannesburg geboren und war ein südafrikanischer Schriftsteller und politischer Aktivist. In den 1960er- und 70er-Jahren war er Mitglied des ANC. Über ein Jahrzehnt lebte er im Exil in den USA. Als zentrale Figur unter den afrikanisch-amerikanischen Poeten lenkte er die Aufmerksamkeit auf Afrika und die Praxis der Poesie als Performancekunst und wurde zu einem der wichtigsten Dichter der Pan-Afrikanischen Bewegung. 1982 ging er nach Tansania, wo er Englsch unterrichtete, ehe er 2001 nach Johannesburg zurückkehrte. Sein Sohn ist Earl Sweatshirt, bekannt durch die Hip-Hop-Gruppe Odd Future Wolf Gang Kill Them All. Keorapetse Kgositsile starb Im Januar 2018 in seiner Geburtsstadt.