Sigurður A. Magnússon
(Kjalarnes 1928 – Reykjavik 2017)
Irrwege
Wohin nur gerieten wir auf diesem Weg
der uns das Reiseziel
verfehlen ließ?
Wir brachen mittags auf
in Sonnenwärme und strahlender Hoffnung
nach einem verregneten Morgen
wanderten wir durch unbewohntes Land
mit Löwenzahn und Vergißmeinnicht
klaren Quellen und schützenden Büschen
gegen den kalten Abendwind
Doch dann verirrten wir uns
kamen am Ziel nicht an
ziehen stattdessen durch steiniges Ödland
und nackte Wüste
wo der Inlandnebel jeden Ausblick verwehrt
Der Abend bricht herein
Wo können wir Unterschlupf finden
in dieser Nacht die sich schon ankündigt?
Und wohin soll es morgen in der Frühe gehen?
Aus dem Isländischen übersetzt von Wolf Kühnelt. Aus: Nordische Poesie.
Signale einer Welt, die horen, Bd. 146, Bremerhaven 1987
»Zum letzten Mal haben SAM und ich uns 2013 getroffen, im legendären Café Mokka im Zentrum Reykjavíks. Dort erzählte er mir, wie er zusammen mit seinem Vater am 17. Juni 1944 durch Regen und Sturm nach Þingvellir geritten ist, um der Proklamation der Republik Island und damit der Unabhängigkeit von Dänemark beizuwohnen.« Wolfgang Schiffer
Sigurður A. Magnússon wurde 1928 in Island geboren und studierte griechisch, Theologie und Literatur an der Universität von Island, in Kopenhagen und in Athen. 1953 schrieb er sein erstes Buch, ein Reisebuch, und 1961 publizierte er seinen ersten Roman. Neben Prosa, Reiseberichten und autobiographischen Texten war er als Lyriker und Übersetzer tätig und schrieb Theaterstücke. Er übertrug sowohl Werke ins Isländische, unter anderem von Walt Whitman, als auch isländische Dichtung ins Englische. Im April 2017 starb Sigurður A. Magnússon 89jährig in Reykjavik.