Mary Oliver
(Cleveland/Ohio 1935 – Hobe Sound/Florida 2019)
Tod am Wind River
In ihren Träumen
leuchten die Kugeln rot wie Rosen
in den Wangen ihrer Großmütter,
die Pferde
galoppieren wieder über die Kinder hinweg,
die jungen Männer
können nicht rasch genug töten.
In ihren Träumen
schlafen sie mit dem Mond.
Doch meistens schleppen sie sich durch den Dreck,
schütten Whiskey in ihren Rachen,
wetzen ihre Messer an nichts als
an Steinen.
Im Rausch wüteten sie gegen ihre alten Großmütter.
Stolperten über die Geister der Kinder.
Danach flirren ihre Nerven wie gefrorenes Laub.
Unter trostlosen Zweigen gehen sie ihren Weg.
Sie denken an diese Welt, die
ihre toten Söhne aufnimmt.
Übersetzt von Hans Thill. Aus: Poetry Magazine, März 1986, Palm Coast/Fl. USA
»Liest man sie auf der einen Ebene, sind ihre Gedichte Stillleben der Sinnlichkeit: Häufig verortet in der Umgebung der Wälder, Sümpfe und Gezeitenbecken von Provincetown/ Mass., wo sie mehr als 40 Jahre gelebt hat, sind in ihnen tadellose Beschreibungen des Landes und seiner nichtmenschlichen Mieter zu finden, in einem schlichten, konservativen Konversationsstil.« Margalit Fox
Mary Oliver wurde 1935 in Maple Heights, Ohio, geboren und besuchte ab Mitte der 1950er Jahre die Ohio State University und das Vassar College. Ihre Texte wurden von Autoren wie Walt Whitman, Henry David Thoreau und Edna St. Vincent Millay beeinflusst. In den 1980er Jahren lehrte Mary Oliver an der Case Western Reserve University und gewann mit dem Band American Primitive (1983) den Pulitzer-Preis. 1986 ging sie an die Bucknell University, Pennsylvania, wo sie als Poet in Residence ausgezeichnet wurde. Mary Oliver starb 2019 im Alter von 83 Jahren in Hobe Sound in Florida.