Menno Wigman
(Beverwijk 1966 – Amsterdam 2018)
WO ICH WOHNE
Es schneit. Die Grachten sind, obwohl es schneit, verschmutzt.
Das Abwasser, so liest man, ist voll Koks.
Die Hüften dieser Stadt sind warm und rund.
Ein weißer Deutscher reicht ein Päckchen rum.
Drogen haben Hunger. Unsere Triebe ebenso.
Es wimmelt von Mädchen, hübsch und schlau und rank,
die ewig wie die Amstel in Richtung Stadt
marschieren, unduldsam ist ihr Strom und starr
ihr Traum von Leidenschaft und einem bessren Bett.
So riecht jeder Moment nach Sex und Intellekt.
Es schneit. Die Kneipen sind voller Chancegesichter.
Drogen haben Hunger. Unsere Lüste ebenso.
Was ich nicht bekam.Was ich nicht nahm. Die Stadt,
wo ich die Liebe zergliederte und stets
Gedichte schrieb, die Stadt heißt Amsterdam.
Übersetzt von Gregor Seferens. Aus: Im Sommer stinken alle Städte.
parasitenpresse, Köln 2016.
»Meine metrische Obsession könnte durchaus damit zutun haben, daß ich Schlagzeuger bin.« Menno Wigman
Menno Wigman wurde 1966 in Beverwijk, Niederlande, geboren und zog 1984 nach Amsterdam. Sein Debüt erschien 1997 unter dem Titel 's Zomers stinken alle steden (Im Sommer stinken alle Städte). Für seinen Gedichtband Zwart als kaviaar erhielt er 2001 den Jan Campert-Preis. In den Jahren 2012/13 war Wigman Stadtdichter von Amsterdam. 2015 wurde sein Werk mit dem A. Roland Holst-Penning ausgezeichnet. Menno Wigman, der auch als Übersetzer und Redakteur der Literaturzeitschrift Zoetermeer arbeitete, starb im Februar 2018 in Amsterdam an einem Herzleiden.