Oleg Jurjew
(Leningrad 1959 – Frankfurt a.M. 2018)
Sahen wir auf vom Boden der Nacht
1
... war die gesamte Himmelswölbung wie eine einzige
schütter gedrehte Zigarette –
halbleer, halbvoll,
und eine Welle von dünnem Rauch kroch,
ungleichmäßig gebogen in gleichen Streifen,
und von oben kamen Funken geflogen ...
2
oder nein:
... war das gesamte Himmelsgehölz ein einziger
Zweig, gleichmäßig gebogen in ungleichen Streifen,
auf ihm lag eine schüttere Rose:
der Mond, entwölkt / enttarnt,
aber dunkel von innen,
und Dornen kamen geflogen.
Aus dem Russischen übersetzt von Elke Erb.
Aus: In zwei Spiegeln. Salzburg, Jung und Jung 2012.
»Jurjew hält sich nie an das Offensichtliche, er zerkämmt die Dinge, zaust und zerwühlt sie, frisiert sie neu. Manchmal gebärdet er sich auch unverschämt, mit frivoler Respektlosigkeit, um dem poetischen Stoff neue Funken zu entlocken.«
Ilma Rakusa
Oleg Alexandrowitsch Jurjew wurde 1959 in Leningrad geboren und wirkte als Lyriker, Romancier, Dramatiker, Essayist und Übersetzer. 1991 siedelt er nach Deutschland über. Seine auf Deutsch vorliegenden Texte sind sowohl Übertragungen aus dem Russischen als auch original in deutscher Sprache geschrieben, wie beispielsweise sein 2017 erschienener Roman Unbekannte Briefe. Oleg Jurjew erhielt 2010 den Hilde-Domin-Preis und war mit der Autorin Olga Martynova verheiratet. 2010 und 2015 erschienen auf Deutsch seine Gedichtbände Von Orten und Von Zeiten (Gutleut Verlag). Oleg Jurjew starb im Juli 2018 im Alter von 58 Jahren.