Rainer Kirsch
(Döbeln 1934 – Berlin 2015)
Im Maß Petrarcas
Wolltest du ich sein wie ich du bin: Wäre
Zeit Unzeit dann, der festentflochtenen Haare
Aschblondheit Regen, mit dem Tag und Jahre
Rückfielen wie in mondbewegter Meere
Hinspiel und Gegenspiel, da schlagend Wellen
Getier am Ort belassen, Größeres treibend
Und wir, im salzigtrüben Tiefen, bleibend?
Wirkten des Welttods Gegengrund im schnellen
Gemeinen Wechsel, der wie lang er währte
Um was sonst Zeit ist fischgleich Strudel, nährte
Die unser Atmen aufschickt und erhält?
Dein Haar ists, das mir in die Augen fällt
Daß ich neu sähe; was? was Blinde sehen.
Sprich was du weißt, die Augenblicke gehen.
Aus: Heukenkamp, Kahlau, Kirsten (Hg.): Die eigene Stimme. Lyrik der DDR.
Aufbau, Berlin/Weimar 1988.
»Rainer Kirsch ist die ›blaue Blume‹ im ostdeutschen Dichtergarten. Mit formenreichen und vergnüglichen ironischen und lyrischen, märkisch-sächsisch getönten Arbeiten hat er immer von einer anderen Welt oder wenigstens einer neuen Gesellschaft geträumt.« Wilfried Mommert
Rainer Kirsch wurde 1934 in Döbeln in Sachsen geboren und studierte Geschichte und Philosophie in Halle und Jena. Anschließend absolvierte er ein Studium am damaligen Literaturinstitut Johannes R. Becher in Leipzig. Er war von 1960 bis 1968 mit der Autorin Sarah Kirsch verheiratet. Neben Lyrik veröffentlichte er Dramen, Erzählungen, Essays, Hörspiele und Kinderbücher. Rainer Kirsch starb mit 81 Jahren am 4. September 2015 in Berlin.