Rainer Schedlinski
(Magdeburg 1956 – Berlin 2019)
er aber war fehlender
kern der dinge selbst-
imitation & täuschend echt
etwas an ihm
wurde von tag zu tag ernster
etwas an ihm
wurde von tag zu tag lächerlicher
Die Eigenschaft des Grases als Futter
setzt das Auftreten einer Kuh voraus.
die worte trieb er zu paaren
form & zweck farbe & raum
so oder ähnlich
brachens die zähne zur sprache, die sätze
waren in gegensätze verschoben
um sich zu denken
die sprache war die fiktion
des geistes von einem leib
& problematisch in der tat
der käfig ging
& fing sich einen vogel
Aus: die rationen des ja und des nein. Aufbau, Berlin und Weimar 1988.
»Das Schedlinski ist eine Waschbärenart mit einer diskret-diffusen V-förmigen Brämung auf der Brust. Es ist an Flussbiegungen anzutreffen, wo es auf einem stabilen Ast, der über die Wasserfläche ragt, sitzt und abwartet, was ihm die Strömung zuführt.«
Andreas Koziol
Rainer Schedlinski wurde 1956 in Magdeburg geboren und absolvierte eine Lehre als Wirtschaftskaufmann. Anfang der achtziger Jahre zog er nach Berlin (Ost), wo er im Prenzlauer Berg auf die Dichtergruppe um Sascha Anderson traf. Zusammen mit Andreas Koziol gab er die Untergrundzeitschrift Ariadnefabrik heraus und gehörte zu den führenden Autoren der oppositionellen Literaturszene. Zugleich war er Inoffizieller Mitarbeiter im Ministerium für Staatssicherheit. Sein Lyrik-Debüt die rationen des ja und des nein erschien 1988 im Aufbau Verlag und zwei Jahre später in der Edition Suhrkamp. Rainer Schedlinski starb im September 2019 in Berlin.