Ror Wolf
(Saalfeld 1932 – Mainz 2020)
Der Gung
Ein Mann kam wetterschwer daher,
vom Meer, vom Meer.
Er steig so nebeldick hervor,
vom Moor, vom Moor.
Er lief, der Boden war sehr kalt,
im Wald, im Wald.
Das war ihm ungeheuer gleich,
am Teich, am Teich.
Er ging er duckte sich er kroch
durchs Loch, durchs Loch.
Dort ging er stiefelspitz entlang,
im Gang, im Gang.
Dann war das ganze Gehen aus,
im Haus, im Haus.
Er floß so wolkenweich dahin,
im Gin, im Gin.
Hart schlief und kellertief er ein,
wie Stein, wie Stein.
So endet in der Dämmerung
der Gung, der Gung.
Erstveröffentlichung: Christoph Buchwald, Robert Gernhardt (Hrsg.) Jahrbuch der Lyrik 9,
Luchterhand, Hamburg/Zürich 1993, S. 26
»Ich weiß nicht, warum ich so schreibe, wie ich schreibe. Ich will es aber!«
Ror Wolf
Ror Wolf (Pseudonym Raoul Tranchirer) geboren 1932 in Saalfeld (Thüringen), arbeitete zwei Jahre als Betonbauer in der DDR, bevor er in die Bundesrepublik übersiedelte. Er studierte Literatur, Soziologie und Philosophie in Frankfurt am Main und Hamburg. Seit 1957 veröffentlicht er Collagen, Lyrik, Hörspiele und Prosa. Bis zu seinem Tod im Februar 2020 lebte er in Mainz. 2017 erschien die Gesamtausgabe seiner Gedichte bei Schöffling & Co. Zuletzt erhielt er u. a. den Günter-Eich-Preis und den Rainer-Malkowski-Preis.