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Gerhard Zwerenz
Die Verteidigung Sachsens und warum Karl May die Indianer liebte

Sächsische Autobiographie in Fortsetzung | Teil 3 | Nachrufe & Abrechnung

Die Sächsische Autobiographie, in­zwischen ungetarnt offen als authen­tisches Auto­bio­gra­phie-Roman-Fragment – weil unab­geschlos­sen – defi­niert, besteht bis­her aus 99 Folgen (Kapiteln) und 99 Nachworten (Kapiteln). Der Dritte Teil trägt den Titel: Nach­rufe & Ab­rechnung.
  Schon 1813 wollten die Sachsen mit Napoleon Europa schaffen. Heute blicken wir staunend nach China. Die Philo­sophen nennen das coinci­dentia opposi­torum, d.h. Einheit der Wi­der­sprüche. So läßt sich's fast heldenhaft in Fragmenten leben.

  Nachrufe & Abrechnung 32

Konkrete Utopien von Hans Mayer bis Joachim Gaucks Dystopien

  Der Fall Hans Mayer

Lebenslang einsam,
noch im Tode nicht schweigsam



Die Post brachte eine handschriftliche Nachricht von Hans Mayer, dazu im Um­schlag Akzente Heft 1 1975 mit für­sorg­lichem Hinweis auf die Seiten 44/45. Kleiner Schreck, da steht als Titel: Hans Mayer – Zwölf Xenien mit einer Coda. Neu­gierig geworden, was will Häns­chen von mir, lese ich zuerst das dicke Ende:

»Coda

Kein Offenbach spielt auf zu dieser Operette
Im Cancan hüpfen Greise, Mütter, Enkel.
Play Marx und Freud, Schalmei und Klarinette
Es tanzen Karin Struck und Gabriele Henkel.«

Ebenso munter und doppelsinnig beginnen die Xenien mit den Namen Frisch, Peter Weiss, Améry, Boenisch, Handke, Reich-Ranicki … Das geht so luftig weiter. Die letzte Xenie Nr. 12 birgt aller­dings eine geheime Botschaft, die wohl der Ent­schlüs­se­lung bedarf:

»Es lauert am Ende vom Alphabet
Und hofft darauf, dass ihm keiner entgeht.
Da hilft kein Protest dir und keine Manier:
Zum Schluß macht der Zwerenz ein Buch auch aus dir.«

Die geheime Botschaft betrifft meinen nur wenige Monate zuvor erschienenen Band Der Wider­spruch, in dem Mayer nicht aus­gespart blieb. Es ist zwar noch kein Buch über ihn, doch sein plurales exoti­sches Leben reichte schon für ein Dutzend Seiten, die den Kern eines Szena­rios bil­den, das niemand schreiben will, weil Mayer als einer der üblichen Lite­ratur­pro­fes­soren gilt, er war jedoch eine gelebte Tra­gödie zwi­schen allen Fronten. Beim Leip­ziger Fenster­sturz von Erich Loest am 12. Sep­tem­ber 2013 spielte Mayer im Hinter­grund eine stumme Rolle, umstrit­ten wie immer, was ihn jedoch selbst als Toten noch freuen dürfte, er agierte gern und oft mit, erfreut, zürnend, erneut erzürnt und er­freut bis ins ein­drucks­volle Grab auf dem Berliner Dorotheen­städti­schen Fried­hof. Auch dort nicht verstummt.

Freitod, Suizid, Selbstmord pro und contra – leben wir tatsächlich im Januar 2014? Das Elefantengedächtnis ruckt auf der Zeitschiene zurück zum August 1944:

Prof. Mayer sah Struck und Henkel miteinander tanzen. Die eine dichtete und schimpfte bis ins Lebens­ende, die andere ist reich und in sämt­lichen Künsten hyperaktiv. Per defini­tionem von F.J. Raddatz Die Mondäne... Vergangene Kultgeschichte?


»Leider konnte ich Bredows Gesell­schaft nicht länger genießen. Denn wir stie­ßen, noch immer bramarba­sierend und roman­ti­sierend, auf die Reste unserer un­besieg­baren Kom­panie. Das haben wir also geschafft, sagte Bredow herzlich und so, als freue er sich ganz beson­ders darüber, dass wir unsre Truppe wieder­ge­funden hatten. Ich dachte mir also nichts weiter dabei, als Bredow meine Hand er­griff und sie be­deutsam drückte. Her­nach trat er hinter einen bee­ren­prallen, lack­glän­zenden Ho­lunder­busch und schoss sich eine Kugel in den Kopf.« So lese ichs bei mir selbst im Casanova-Kriegs­roman, erschienen 1966, bezogen auf 1944, das ist jetzt kleine 70 Jahre her. So lang vergangen, so kurz kann ein Freitod sein und ganz ohne Worte, sobald ein Krieger sich zu gehen ent­schließt. Wenn die Zeit ge­friert, bleiben dem Gedächt­nis nur kurze Strecken fürs Toten­ge­spräch. Es gibt Träume mit toten Gesich­tern unter einer Eis­decke. Sie reden von unten herauf und du redest von oben nach unten. Kein Ton wird hörbar. Hans Mayer Coda 4.Zeile: Es tanzen Karin Struck und Gabriele Henkel. Wer ist das, wer war das? Das füllte vor nicht allzu langer Zeit noch Zei­tungs­seiten. Mayer nannte die Namen und ver­ging (nicht). Etwas bleibt. Ein älteres Ehe­paar trifft der plötz­liche Tod des Mannes. Sein Foto hinter Glas im teuren Rahmen hängt über dem leeren Bett. Sie spricht mit ihm. Wer ist er, sein Bild oder er selbst. Gefro­rene Zeit. Wenn Ernst Bloch er­zählte, wie er als Gymna­siast von Lud­wigs­hafen zur Mann­heimer Schloss­biblio­thek radelte, um die antiken griechi­schen Philo­sophen zu lesen, sah ich ihn ohne Verzug zwischen Lud­wigs­hafen und Mann­heim zwei­ein­halb­tausend Jahre durcheilend, das Zeitmaß als Schein über­windend für Ge­spräche. Das war Marx so plau­sibel, dass er seine Doktor­arbeit darauf gründete: Über die Dif­ferenz zwischen der demo­kri­tischen und epiku­räischen Natur­philo­sophie. Ein Toten­gespräch als revolu­tionärer Anfang.
  Was auch immer Erich Loest mit seinem heftigen Gemälde-Streit beabsich­tigte, indem er Bloch und Mayer, dazu sich selbst per Rücken­ansicht bildlich und offi­ziell ver­ewi­gen ließ, er wollte die Ungeister korri­gieren, die ver­ges­sen machen, was Leip­zig zur Zeit der revo­lutio­nären Alternative als Möglich­keit aus­zeich­nete: In dieser DDR wirkte Bloch als oppo­sitionel­les Kraft­werk, dessen Energien Mitte der fünfziger Jahre aus­strah­lten auf Hans Mayer, Wolfgang Harich, Walter Janka, Alfred Kanto­rowicz, Peter Huchel, Gustav Just, Heinz Zöger und viele andere, nicht zu­letzt auf Fritz Behrens mit seiner oppo­sitio­nel­len Lehre einer feh­lenden sozia­lis­tischen Öko­nomie. Hubert Laitko, der Wissen­schafts­histo­riker, glaubt sogar Fern­wir­kungen bei Jürgen Kuczynski fest­zu­stellen, aller­dings erst nach der Wende. Die Spuren von Behrens aber reichen bis ins heutige ka­pital­rote China. Der Anfang ist auf Blochs Erstling Geist der Utopie 1918 bzw.1923 zu datie­ren, das Buch heute infolge rasantem Kultur­zer­fall nur noch für einige Fach­leute les- und genieß­bar. Der Schluss­teil Karl Marx. Der Tod und die Apoka­lypse sei um so nach­drück­licher empfoh­len. Kurz darauf Thomas Münzer – Als Theologe der Revolution, er­schie­nen 1921. Die Spann­weite Phi­lo­sophie, Reli­gion, Revo­lution, Analyse, Ster­ben bleibt lebens­lang erhalten. Im Utopie-Buch setzte der Kriegs­gegner Bloch den 1. Welt­krieg mit dem Tod in eins, was den nach­fol­genden 2. Welt­krieg vor­weg­nimmt. Im Münzer-Buch wird die Re­vo­lution das Thema, mit der Apo­kalypse als stän­diger Be­glei­te­rin. Die heu­tige Global­krise scheint Blochs Ideen neu zu be­leben. Dome­nico Losurdo zitiert ihn mehr­fach, das neue deutschland be­richtet gar von einer »Dis­kus­sions-Veran­stal­tung der DKP München, wo der wohl­infor­mierte pen­sio­nierte Bremer Lite­ra­tur­wis­sen­schaft­ler Thomas Metscher über Marxis­mus und Utopie referiert. Der Marxis­mus spiele zwar ›als Welt­an­schau­ung und poli­tische Praxis heute in großen Teilen der Welt keine Rolle mehr‹, doch ›Die Frage der Utopie stellt sich neu …‹«

  Ernst Bloch: 5Avicenna und die Aristotelische Linke

„Die doppelte Befreiung der vorderasiatischen Völker vom halbkolonialen Zustand und von der eignen geistigen Erstarrung wird dort auch das von Avicenna Angeschlagene wieder tönen lassen.“
Bloch, Leipzig 1952


So berichtet das DKP-Mitglied Metscher über den strittigen Bloch- Begriff. Am selben 22. Januar 2014 geistert Blochs konkrete Utopie auch durchs FAZ-Feuil­leton. Titel: Der Kampf um die mus­limische Ver­nunft mit rele­vantem Bezug auf Blochs Schrift von 1952: Avicenna und die aristo­telische Linke. Es geschehen Zeich­en und Wunder, diesen auf­klärenden Avicenna warfen wir uns vor sechs Jahrzehnten in Leipzig ein, und schon heute gelingt es einem wohl­infor­mierten Pro­fessor, die Erkennt­nis in der FAZ unter­zu­bringen. Zum Ausgleich wird gleich darunter die Liebe des studen­tischen Jung­fräu­leins Hannah Arendt zu ihrem un­wi­der­steh­lichen Pro­fessor Heidegger in den Bet- und Bett­himmel gehoben. Der Fakt ist verbürgt, das Buch reine Nach­dichtung. Die über­aus kluge Hannah war arglos, als sie 1924 in Marburg eine Beziehung mit dem siebzehn Jahre älteren Ehe­mann und Fami­lien­vater begann, wie sollte sie auch ahnen, dass ihr Martin seinen Adolf 1933 nicht weniger von Herzen lieb­haben würde und sie als Jüdin das Reich verlassen müsste. Ihre Feindliebe hörte nie so ganz auf – soviel zur Banalität des Guten.

Zurück, nein voran zu Blochs Konkreter Utopie, die aufs bisher ver­botene Ter­rain der DKP vor­zu­drin­gen beginnt, wie Metscher zeigt. Den Start­punkt skiz­zierte Chris­toph Jünke in Sozial­is­tische Hefte für Theorie und Praxis (Köln), Nr. 11. Sep­tem­ber 2006: »Chruscht­schows im Fe­bruar 1956 auf dem 20. Partei­tag der KPdSU ge­hal­tene Geheim­rede öffnete, einem Dosen­öff­ner gleich, Millionen von Kom­munis­ten weltweit für die Er­schüt­terungen über die Ver­brechen des Stali­nismus und die Suche nach einem eman­zipa­tiven Reform­
sozia­lismus – sei es im unga­rischen Petöfi-Kreis um Georg Lukács u.a. oder in der DDR um Wolfgang Harich, Walter Janka, Ernst Bloch, Gerhard Zwe­renz u.a., sei es in der briti­schen Kom­munis­ti­schen Partei um Edward P. Thompson, John Saville u.a. oder, in der fran­zösischen, Henri Lefebvre u.a. Was die Ver­brechen des Stali­nismus auf der einen Seite, waren das neo­kolo­nialis­tische Auf­treten der Briten im Suez­krieg gegen Nasser und Frank­reichs Krieg in Algerien auf der anderen. Heimat­los gewor­dene Sozia­listen, Intel­lektuel­le und ra­dikale Demo­kraten machten sich auf den so ge­nannten Dritten Weg – ›Zurück zu Marx!‹ wie es hieß.«
  Für uns in Leipzig und den Berliner DDR-Teil hieß das nicht rückwärts, sondern vorwärts zu Marx. Da es aber keinen festen Dritten Weg gibt, muss er er­kundet werden. Das beginnt mit der sprach­lichen Dimension. Mit der es bei Marx/Engels einst begonnen hatte, bis es zum baby­lonischen Sermon miss­riet.

Der Rückblick von 2014 auf 1914 beschränkt sich in den konservativen Medien bisher auf das Kriegsgeschehen und die mutmaßlichen Gründe. Stefan Bollinger gab schon am 3. Dezem­ber 2013 ein anderes Signal: Die Urkatastrophe und die Linken – daraus zwei Merk­sätze: »Dieser Krieg brachte ein ver­häng­nis­vol­les, dau­er­haf­tes bis heute wir­kendes Schisma der Linken hervor« und »Die 1914/18 von der radikalen Linken gefun­denen Lösungen lie­ferten das Material für den Kollaps von 1989/91.« Fügt sich not­wendiger­weise als 3. Merk­satz hinzu: Die Spal­tung der Ar­beiter­bewe­gung von 1914 lie­fert das Mate­rial für den Kollaps von 1989/91 ohne damit zu enden. Was Bol­linger in seinem nd-Artikel auch an­deutet. Um es zu er­gänzen, müsste er mehr ris­kieren, wozu er durchaus imstan­de wäre. Es ist auch alles bereits ge­schrie­ben worden. In der DDR und außer­halb. Das wurde eng­stirnig ver­folgt und ver­boten oder nicht wahr­genom­men. Statt kon­kreter Utopien gab es kon­krete Despotie. Was uns zu Hans Mayer zurück­führt, der tra­gischen Roman­figur des Prinzips Spaltung von 1914 bis …? Das Frage­zeichen kann Un­end­lich­keit bedeuten. Mich führt es nur bis Xenie 12: »Zum Schluss macht der Zwerenz ein Buch auch aus dir.« Da ich erst 88 Jahre zähle, ist es für ein ganzes Buch über Hans Mayer noch etwas Zeit. Eines sei vorweg­ge­nom­men. Mayer suchte mit dem zweiten deut­schen Staat zurecht­zukommen und schei­terte. Das gilt für sehr viele inner­halb und außer­halb der DDR. Der Lite­ratur­pro­fessor spielte für uns alle Hans Mayer im Glück nach Grimms Märchen:»Hans hatte sieben Jahre bei seinem Herrn gedient und als Lohn ein Stück Gold er­halten, das so groß als (wie) Hansens Kopf war.« Am Ende blieb ihm nichts »bis er da­heim bei seiner Mutter war.« So im Mär­chen, wo sich für Stief­mutter Kapital noch kein Platz fand. Feierten wir bei Blochs in Tübingen Sil­vester, nahm Hans Mayer teil, eilte je­doch vor Mitter­nacht fort. Alle Mühen, ihn zu­rück­zuhalten, waren ver­gebens, obwohl ich mich sehr an­strengte. Karola war Mayers ab­rupter Auf­bruch seit Jahren ver­traut. Er musste zum Neu­jahres­beginn allein sein in der Fremd­heimat.


  Aus dem Bulletin
der Bundesregierung 1962
(Vergrößerung per Klick)


In der jungen Welt vom 11./ 12. Januar 2014 erinnert Otto Köhler an Waldemar Pabst, den Mörder, nein Befehlsgeber zum Mord an Rosa Luxemburg und Karl Lieb­knecht. Ich hatte im stern darüber geschrieben und war dafür am 8.2.1962 re­gierungs­amt­lich gerügt worden. Otto Köhler dazu: »Zwerenz, so stellte das Bulletin der Bundesregierung von 1962 fest, habe ›kürzlich‹ im stern die Ereignisse vor vier Jahrzehnten rekapituliert – gemeint ist der Mord an Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg. Das Bul­letin beanstandete: ›Dabei behauptete der Ver­fasser, dass der weiße Terror damals schlimmer als der rote Terror gewütet habe.‹ So etwas ließ das Bulletin durch den Fachmann wi­der­legen. ›Das veranlaßte Major a. D. Pabst zu einer Erwi­derung… « Weiter hierzu bei Otto Köhler in der jungen Welt und ergänzend zum Thema im poetenladen u.a. anklicken: Nachwort 53 »Die DDR musste nicht unter­gehen« sowie Nachwort 54: »Ein Orden fürs Morden«.
  Warum befahl Major Pabst, mit Billigung Gustav Noskes, Rosa Luxemburg und Karl Lieb­knecht zu beseitigen? Der Doppelmord steht heute noch zwischen SPD und Linkspartei. Die deutsche Ver­einigung von 1989/90 ändert nichts daran. Den Sozialdemokraten fällt Distan­zierung von Noske und Pabst so schwer wie Kom­munis­ten der Abschied von Stalin schwer fiel oder fällt. Die Links­partei hat das hinter sich gebracht. Die SPD bleibt seit 1914 Kriegspartei. Die heutigen medialen Gedächtnisübungen, von 2014 aus auf 1914 zurückzuschauen, heilen keine Wunden. Das reißt sie auf, solange die Ursachen ideolo­gisiert bleiben.
 
Aber die Macht der Medien? Wenn Günther Jauch seinen privaten Talk Wer wird Millionär? in ein vergleichbar erfolgreiches Wer wird Pazi­fist? umbaut und die ARD die Sendung unkor­rigiert auf den Sonntagabend zu setzen wagt, ja dann …Ja was dann? Jede Wette, dass sogar ein Spitzenmoderator, der sich etwa als realer Pazifist outete, in diesem Fall selbst der alt­bewährte Show-Glücks­ritter Jauch, den Job einbüßte? Denn es ist verboten, einen Jesus Christus zu spielen, und selbst der endete am Kreuz, damit ihn seine Kreuzesritter ewiglich anbeten können, während sie andere Pazi­fisten kreuzigen.

Statt Jauch als Pazifist tritt Pastor Gauck als militanter Bundespräsident, von SPD und Grünen instal­liert, an die Front, um seinen kriegsmüden Staats­bürgern die etwas in Verruf geratenen Kriegspflichten einzureden. Schon trippelt die neue ministe­rielle Mutter der Kompanie U.v.d.L. an des Krieg­apo­logeten Seite – auf nach Afrika, wo die glorreiche Kolonial­macht Frankreich um Hilfe ruft, während das arme Deutsch­land seit 1918 ohne Kolo­nien nackt dasteht. Das aber lässt sich endlich ändern mit Bundes­wehr raus aus Afghanis­tan und ab in den Busch. Gauck wird's so rechts­schaffen freuen wie ihn der Abzug aus Asien bekümmert. Der hohe Amtsherr war von Schreib­tisch, Kanzel und Katheder aus so tapfer für den Krieg am Hindukusch, da muss endlich ein anderes Schlacht-Opfer her. Afrika ist die Rolle doch gewohnt.
  Dieser Nachruf 32 sollte ursprünglich von den 12 Versuchen Hans Mayers han­deln, ganz im Sinne von Ernst Blochs „aufrecht gehen“. Die rheto­risch ver­fasste Kriegs­ermäch­ti­gung, die Bundes­präsi­dent Gauck auf der Münchner Si­cher­heits­kon­ferenz im Januar 2014 seinem Volk zumutete, obwohl es mehr­heit­lich keinen Krieg will, zwingt zur Unter­brechung und noto­rischen Erwi­derung: So nicht, Herr Gauck. München war schon einmal die Stadt der Bewe­gung. Wer strebt hier Wieder­ho­lung an. Deutsche Soldaten sind nicht mehr zum Krieg­führen da, sondern zum Krieg­verhindern. Militä­rische Grenz­über­schreitung bleibt grund­ge­setzlich verboten, wer auch immer ver­klau­suliert, verklause­witzt oder ver­christ­licht präsi­dial dazu auf­fordert. Mag sein, die den Tod lieben suchen ihn bis sie ihn finden. Denn er dient dem Geschäft der Beerdi­gungs­unter­nehmer, Priester, Generäle, Politiker, im Extrem­fall dem fal­schen Herrn im Schloss Bellevue. Fakt ist, die den Krieg lieben, lieben ihn wie die Rüs­tungs­indus­trie den Tod, den sie anderen zu­weisen. Ist das noch zu ver­hindern? Unser Nachwort 29 vom 13. Juni 2010 trägt den Titel:»Pastor Gauck oder die Revanche für Stalin­grad«. Dieser Pastor als Präsident taugt zum Volks­bestatter.

Hier eine spontane aktuelle Präsentation einiger Zeitungen 3. Februar 2014:



Inzwischen mehren sich Wider­spruch und Zustimmung zur präsidialen Kampf­rede, dieser kon­kreten Utopie der Rück­kehr in die konter­revolu­tio­näre Welt­kriege­rei, gegen die Ernst Bloch seinen revo­lutio­nären Geist der Utopie ver­fasste. Das war 1918 – heute wird von 2014 an 1914 zurück­gedacht. Sie sollten 1918 nicht ver­ges­sen. Am 15.11.1996 ergab sich im Bonner Bundes­tag ein kurzer Dialog:

Notiz vom Februar 2014: Das 1996 beab­sichtigte Gespräch über Rache und Ver­ söh­nung blieb aus. Der Pastor als Präsi­dent predigt Krieg. Fort­setzung folgt demnächst.
Gerhard Zwerenz    10.02.2014   

 

 
Gerhard Zwerenz
Serie
Zwischenberichte
  1. Zum Jahreswechsel 2012/13
  2. Ins Gelingen oder Misslingen verliebt?
Nachrufe
  1. Es herrscht jetzt Ruhe in Deutschland
  2. Wer löst den Loest-Konflikt?
  3. Wo bleibt die versprochene Reformdebatte?
  4. Wortgefechte zur Linken und zur Rechten
  5. Küsst die Päpste, wo immer ihr sie trefft
  6. Wir Helden auf der immer richtigen Seite
  7. Ein Versuch, Stalingrad zu enträtseln
  8. Der Übermenschen letzter Wille
  9. Hitlers Rückkehr als mediales Opiat
  10. Von Leibniz zum tendenziellen Fall der Profitrate
  11. Vom langen Marsch den 3. Weg entlang
  12. Das Kreuz mit den Kreuzwegen
  13. Gibt es Marxismus ohne Revolution oder ist Marx die Revolution?
  14. Unser Frankfurter Rundschau-Gedenken
  15. Meine Rache ist ein dankbares Lachen
  16. Drei jüdische Linksintellektuelle aus dem Chemnitzer Marx-Kopf
  17. Aufmarsch unserer Kriegs­verteidigungs­minister
  18. Vom Linkstrauma zur asymmetrischen Demokratie
  19. Gauck wurde Präsident. Bloch nicht. Warum?
  20. Vorwärts in den Club der toten Dichter 1
  21. Der Mord an der Philosophie geht weiter
  22. Nie wieder Politik
  23. Abbruch: Erich Loests Fenstersturz
  24. Statt Totenklage Überlebensrede
  25. Philosophie als Revolte mit Kopf und Bauch
  26. Das Ende der Linksintellektuellen (1)
  27. Das Ende der Linksintellektuellen (2)
  28. Leipzig leuchtet, lästert und lacht
  29. Briefwechsel zum Krieg der Poeten
  30. Die Urkatastrophenmacher
  31. Abschied von der letzten Kriegsgeneration?
  32. Konkrete Utopien von Hans Mayer bis Joachim Gaucks Dystopien
  33. Vom Leben in Fremd- und Feindheimaten
  34. Was wäre, wenn alles besser wäre
  35. Von Schwarzen Heften und Löchern
  36. Die unvollendete DDR als Vorläufer
  37. Auf zur allerletzten Schlacht an der Ostfront
  38. »Der Mund des Warners ist mit Erde zugestopft«
  39. Die Internationale der Traumatisierten
  40. Fest-Reich-Ranicki-Schirrmacher – Stirbt das FAZ-Feuilleton aus?
  41. Grenzfälle zwischen Kopf und Krieg
  42. Linke zwischen Hasspredigern und Pazifisten
  43. Wahltag zwischen Orwell und Bloch
  44. Botschaft aus dem Käfig der Papiertiger
  45. Ernst Bloch und die Sklavensprache (1)
  46. »Weltordnung – ein aufs Geratewohl hingeschütteter Kehrichthaufen«
  47. Frankfurter Buchmesse als letztes Echo des Urknalls
  48. Autobiographie als subjektive Geschichtsgeschichten
  49. Die Sprache im Käfig und außerhalb
  50. Tage der Konsequenzen
  51. Oh, du fröhliche Kriegsweihnacht
  52. Merkel, Troika, Akropolis und Platon