|
|
Gerhard Zwerenz
Die Verteidigung Sachsens und warum Karl May die Indianer liebte
Sächsische Autobiographie in Fortsetzung | Teil 3 | Nachrufe & Abrechnung
Die Sächsische Autobiographie, inzwischen ungetarnt offen als authentisches Autobiographie-Roman-Fragment – weil unabgeschlossen – definiert, besteht bisher aus 99 Folgen (Kapiteln) und 99 Nachworten (Kapiteln). Der Dritte Teil trägt den Titel: Nachrufe & Abrechnung.
Schon 1813 wollten die Sachsen mit Napoleon Europa schaffen. Heute blicken wir staunend nach China. Die Philosophen nennen das coincidentia oppositorum, d.h. Einheit der Widersprüche. So läßt sich's fast heldenhaft in Fragmenten leben.
Nachrufe & Abrechnung 40 |
|
Fest-Reich-Ranicki-Schirrmacher – Stirbt das FAZ-Feuilleton aus?
Die Frankfurter Allgemeine sei ein plurales Blatt nahm ich an. Am 12. Juni 2014 starb mit Frank Schirrmacher »Ein sehr großer Geist« – FAZ vom 13.6.2014 – und seither weiß ich, diese FAZ samt FAS war Schirrmacher absolut. Seine Text- Schwärme beherrschen postum die Seiten, ca. sechsundsechzig Fotoporträts füllen die Lücken, seine Freunde leiden wortreich in unübersehbarer Zahl und alle erinnern sich mit Herzschmerz. Da erinnere ich mich ebenfalls, weil ich ihn wie hunderte anderer Menschen schilderte. Das braucht keinen Rückblick mit Trauerflor. In unserem Bloch-Buch Sklavensprache und Revolte von 2004 notierten wir, was es für Ingrid und mich zum teuren Toten, als er noch lebte, zu bemerken gab:
Im August 2002 saß FAZ-Schirrmacher in der Sendung Zur Person bei Günter Gaus im Sessel hingefläzt, Beine breit, prallen Bauches, wie er sonst ältere Herren ziert und das Oberhemd zu sprengen droht. Man erblickte das verquollene Gesicht eines verspäteten Jünglings, dem die Pubertät zusetzt. In Erregung geraten, fuchtelte der Knabe plötzlich mit seinen wie aus der Garage fahrenden Händen. Mühsam unterdrückte ich meine Erheiterung, um Ingrid nicht abzulenken, die eine Videoaufnahme für diese unnachahmliche Vorstellung einrichtete, und ich dachte: Das sind ja Sieburgs Hände! Und dann: Der junge Mann ist Sieburgs Inkarnation – die Wiedergeburt eines nicht unbeachtlichen Potentials auf der Suche nach seinem Gral. Plötzlich ordneten sich die Bruchstücke zum Ganzen, und ich erinnerte mich vergangener Sätze und Szenen: Der in eigenen konservativen Kreisen wegen des Verdachts unorthodoxer Gedanken nicht unumstrittene knabenhaft gestylte FAZ-Meisterfeuilletonist hatte am 8.8.1997 in seinem Blatt ein paar erstaunliche Sätze als Programm »für die ungeschriebene Mentalitäts- und Geistesgeschichte von DDR und Bundesrepublik« formuliert: »Sie wird das akademie- und diskussionserprobte Ich porträtieren müssen, das in West wie Ost selbst noch in den apokalyptischen Warnungen vor der atomaren Gesamtauslöschung immer auch seine Größenphantasien zu erkennen gab.«
Vom FAZ-Idiom in menschliche Sprache übersetzt heißt das: Schirrmacher erkennt in den führenden Politikern und Akademikern, die sich aus Ost und West im Kalten Krieg befehdeten, jene Kräfte, die sich auch durch sehr reale Atomkriegsgefahren nicht abbringen ließen von ihren »Größenphantasien«, was besser »Größenwahn-Phantasien« genannt werden sollte.
Der Ausweg aus der drohenden Apokalypse laut Schirrmacher: »Die Historisierung der beiden Republiken gibt allmählich Material frei, das die intellektuelle Verfassung des vereinigten Landes zu verändern verspricht.«
Veränderung wohin? Das Rezept wird nebenan in Leitartikel und Wirtschaftsteil als freie Bahn den Globalisierungsgewinnlern ausgefertigt, so dient der Feuilletonist vor Ort als Kranzlieferant am Friedhof der Opfer, d.h. jener achtzig Prozent Beschäftigter, die arbeitslos gemacht werden, setzt die Globalisierung sich unkorrigiert durch, in deren Folge die anderen zwanzig Prozent der heutigen Arbeitnehmer genügen, alle benötigten Waren zu produzieren. Dies die intimen Nachrichten aus dem USA-Paradies, dessen deutsche Kapitalmagnaten über die famosen FAZ-Goldfedern ihre Interessen kundtun.
Wohin also soll die Reise gehen? Im Kalten Krieg richteten sich die deutschen Größenphantasien trotz Atomtodgefahren gegeneinander. Wogegen richten sich die hernach vereinigten Größenphantasien? Es gab in West und Ost dem Kalten Krieg wie den Atomkriegsrüstungen widerstehende Menschen, gegen die das Frankfurter Kapitalzentralorgan nur Hohn und Hass abzusondern hatte. Spätling Schirrmacher drückte damals noch die Schulbank und hat heute leicht phantasieren.
Der konservative Holthusen lehnte nach dem Krieg die Aufnahme Ernst Jüngers in die neue westdeutsche Akademie aus Imagegründen ab, wissend, dass der Nietzsche-Adept 1933 den angebotenen Eintritt in die Dichterakademie respektablerweise verweigert hatte. So versammeln die deutschen Akademien jeweils Zeitgeistgenerationen, damit die Nachfolgenden Grund für Generationshahnenkämpfe finden. An der Spitze immer die flinken Hauptleute mit dem Degen aus Papier.
Im Rückblick erscheint jede Akademie als Operette, die Sänger treten aber als Opernhelden auf. »Prolog im Himmel« nannte Schirrmacher es, wenn Gottfried Benn 1949 in einem Anfall von Ehrlichkeit meinte, alle guten Schriftsteller seien jetzt im Osten, keiner im Westen. Ein Professor Hosaens hatte eben für die CDU die Gründung einer neuen West-Akademie beantragt, um »Europa gegen Asien zu verteidigen«. Das ist inzwischen gelungen, doch welchen Begriff hat Schirrmacher vom Himmel? Es ist wohl mehr ein Epilog in der Hölle gewesen. Ernst Jünger aber, der 1933 nicht akademisch sein wollte und nach dem Krieg nicht sein durfte, rehabilitierte sich als Überhundertjähriger tapfer. Am 9.8.1997 servierte Ernst Jüngers Frankfurter Hauszeitung einen Vorabdruck aus dessen Buch Siebzig verweht V, wo es heißt: »Wenn ich als Anarch auf mein Verhalten im Dritten Reich zurückblicke, fällt mir ein, dass ich nie mit Heil Hitler gegrüßt habe.« Ja, diese tollkühnen aufrechten Anarchen! Wir verstehen: Ins Widerstandsmuseum mit dem tapferen Helden zweier Weltkriege, neben General Heusinger, der beim Attentat am 20. Juli 1944 neben seinem Führer am Tisch in der Wolfsschanze aufrecht stehend leicht verletzt wurde und später von Minister Rühe als Bundeswehrgeneral und braver Mann gewürdigt worden ist.
Da sind noch Plätze frei, auch für Stephan Hermlin, der am 13.12.1989 angesichts der Mauerbruchfolgen tapfer erklärte: »Aber ich bin nicht bereit, vor der Gewalt zu kapitulieren. Ich bin nicht bereit, der Gewalt Gewaltlosigkeit entgegenzusetzen.« (Beifall, aber Widerspruch von Kurt Masur) Die zuständigen NVA-Generäle freilich kapitulierten und folgten Hermlin klugerweise nicht. Beim Lesen der vielerlei Geheimprotokolle von allerlei Akademien wird leuchtend klar, welche heroischen Worte deutsche Geistesriesen selbst in allerdunkelsten Zeiten finden. Hitlers und Stalins promovierte Kinder erweisen sich als Nietzsches Urenkel. In aller Unschuld und Wortgewalt. »Die intellektuelle Verfassung des vereinigten Landes zu verändern« bereiteten sich Walser und Schirrmacher anno 1998 in brüderlichen Telefonaten auf den gemeinsamen Auftritt in der Paulskirche vor. Der eine hatte sich den Großen Preis erschwafelt, der andere lobredete ihn hoch, dass den versammelten Geistesgeschäftsriesen im orkanbrausenden stehenden Beifall der letzte Hauch von Intellekt abhanden kam und nur ein einzelner Bubis stumm sitzen blieb. Von der Verleihung des Buchhändlerfriedenspreises anno 1998 bis zum Tod eines Kritikers im Jahre 2002 ist es nur ein kurzer Schritt im Programm der Skandalplanung. Das Feuilleton spuckt Kultur aus. Frankfurter Rundschau gegen, Süddeutsche Zeitung für Walser, Zeit für und gegen, Welt plus Bild sowieso. Jens, Giordano, Kunert, Karasek erschreckt lautgebend. Das Fernsehen rülpst kräftig oder zart und weiß nicht so recht. Möllemann erteilt Walser Ratschläge fürs Fallschirmöffnen und stürzt später ab. Friedman ist contra. Unseld fällt aus wegen Krankheit. Enzensberger will Walser gar nicht erst lesen, hatte Saddam Hussein schon zehn Jahre früher zu Hitler II. ernannt und erwartet US-Vollzug, die Börne-Taler gibt's vorneweg. Endlich haben alle den erwünschten Skandal. Suhrkamp-Autor Handke sitzt schon überm Gegen-Buch und hat recht. Denn der nächste Krieg kommt bestimmt. Das Feuilleton bereitet ihn vor und will es dann nicht gewesen sein. Das ist Kultur, »Material« eben, das »die intellektuelle Verfassung des vereinigten Landes zu verändern verspricht«. Im schweigenden Staunen stehen die anvereinigten Ostdeutschen am Wegesrand der brausenden Veränderung, der sie nun in Freiheit angeschlossen sind. Als depperte Antifaschisten wurden sie beschimpft und nun droht Antisemitismus? Normalität, Genossinnen und Genossen, will gelernt sein. Und das alles, weil Walsers Frau Mama, die Gastwirtin, unter den Folgen des Versailler Vertrages in wirtschaftliche Nöte geriet und der NSDAP beitrat. Was sagt unser ungefärbter Herr Bundeskanzler jetzt zu alldem?
Antisemitismus ist nötig, weil er das Geschäft vergoldet. Das liebe Wahlvolk muss abgelenkt und unterhalten werden, damit die nächsten Bomben und Raketen bald ungestört ihre himmlischen Klänge ertönen lassen können. Das schafft Arbeitsplätze. Zumindest für die muntere Feuilletonfamilie. Wann kommt die heiße Reality-Show mit rundgerechnet hundert Folgen ins Fernsehen?
Aus Kreisen der israelischen Friedensbewegung hört man die Klage, sie fühle sich durch den jüdischen Zentralrat in Deutschland nicht vertreten, weil die Herren Spiegel (SPD) und Friedman (CDU + tv) Scharonisten seien. Nun, die deutsche Friedensbewegung fühlt sich durch die FAZ auch nicht gerade repräsentiert. Vielleicht sollten wir einen Rat der jüdischen Alten einberufen, von Adorno, Horkheimer, Benjamin bis Stefan und Arnold Zweig, Toller, nicht zu vergessen Einstein, Freud, Tucholsky, Jean Amery, Herbert und Ludwig Marcuse, Alfred Kantorowicz, Polgar, Bloch, Kafka, Seghers, Mehring, Mayer, Heym, Feuchtwanger, Friedrich Wolf ... (Ende aus Platzgründen) Wetten, dass diese Runde der Alten vom Zentralrat als antisemitisch, von der FAZ als jüdisch-bolschewistisch (Fest/Nolte) und von Walser als zu großkritisch befehdet würde? Schrittmacher Schirrmacher aber lenkte allen Streit in sein Feuilleton, denn das Blatt verliert an Auflage. Selbst das schönste Kapital wird schwach, wenn die Kurse ewig sinken.
|
|
Sieburgs Enkel Schirrmacher
postmodernisierte das Feuilleton
bis zur Enfremdung |
Endlich ist festzuhalten, Sieburgs Enkel führen ihre postmodernen Familienidyllen auf. Der Turmwächter vom Bodensee begriff einst als junger Mann, rechts war out, links in. Mit der Vereinigung verkehrte sich die Lage. Wir erinnern uns an Blochs Fabel vom Ungeheuer mit dem transplantierten Kopf eines Kulturmenschen. Der Drache plaudert nun ganz possierlich-humanistisch, bis das böse Blut des Untiers menschenfresserisch obsiegt. Walser redete mit aufgesetztem Linkskopf gar linksradikal daher, bis er sich seiner armen Mama, der Gastwirtin, erinnerte, die wegen des Versailler Vertrages finanziell nicht über die Runden kam. Flugs setzte der Sohn den Linkskopf ab und das Mutterhaupt auf. Am Ende sind alles nur Masken. Auch der Antisemitismus soll eine Larve sein, in deren Schutz er sich ungescheut wie im Karneval am bösen Kritiker rächt. Den Literaturpapst ernennt die Frankfurt-Mainer Oberbürgermeisterin dafür im Handumdrehen zu Goethe II. Gerührt kopiert Marcel den Olympier im tv-Licht zum Steinherzerweichen. Sein ganzes zweites Leben lang hatte MRR die Böll, Grass, Walser kleingehackt und Tucholsky in der FAZ seitenlang beschimpft, all seine Liebe auf Wolfgang Koeppen richtend, der mit seinem Treibhaus längst den Tod in Rom gefunden und sich bis aufs letzte Komma leergeschrieben hatte. Unser Kritiker bejubelte seinen Mann, von dem nicht wie bei Walser-Böll-Grass neue Werke drohten, die er dann hätte niedermachen müssen, sich selbst auf die ersehnte Geistesheroenhöhe zu katapultieren.
So war die Lage, als der beleidigte Bodensee-Wassergeist zum Gegenschlag ausholte und den Generalrezensenten der ersehnten Ermordung preiszugeben schien. Die Republik hatte ihren Skandal. Der Buchhandel seinen Bestseller. Autor und Verlag eine PR, von der andere nicht zu träumen wagten. Wenn alle meucheln und schießen, müssen auch die Dichter ihre Waffen in Anschlag bringen.
Inmitten dieser kruden Krimi-Mimen-Gesellschaft leben allerdings noch ein paar reale Täter-Opfer und Opfer-Täter, die der Wende vom Realen ins superbe Reich der imaginären und imaginierten Schmerzen nicht recht folgen können oder wollen.
Von Gaus befragt, geriet Schirrmacher plötzlich aus seiner bräsigen Pose und etwas in Rage, als er sich gegen Jens, Böll, Grass wandte und über die Großvatergeneration sprach, zu der er und seinesgleichen, angeödet von den 68ern, zurückgekehrt seien.
Die Namen stehen pars pro toto. Es ging gegen die intellektuelle Linke, aus der einige Wechselbälger fazistisch angezogen gegen die eigene bessere Vergangenheit stänkerten, entlaufene Adorniten, zum offenen Nationalismus zu klug, beim kapitalen Feuilleton angeheuert, weil als Kronzeugen nutzbar. Schirrmachers Abwehrzauber gegen die Linke wurde von Gaus registriert, er selbst schien das Fatale seiner Aussage nicht zu spüren, nur die Bewegungen der fuchtelnden Sieburg-Hände verrieten ihn.
Im deutschen Märchen nimmt der Wolf die Gestalt der Großmutter an. Das versumpfte Gelände wölfischer Ahnen ist klaftertief geschieden vom Bloch-Land. Deshalb passen wir letzten linken Oppositionellen mit unserem ewig jugendlichen Großvater Bloch nicht ins übliche Schema, was endlich ungescheut ausgefabelt werden muss, weil wir eben nicht zurückwollen ins abgesunkene, abgestunkene Gestern der Krieger. Wenn schon Vorväter, dann Bloch. Von ihm ist zu lernen, das Kind nicht mit dem Bade auszuschütten oder, wo er selbst irrte, mit der Korrektur nicht erneut übertreibend Schaden zu stiften. Blochs Lehre liegt dabei quer wie der Buddhismus zu den üblichen Religionen, ein Anderes eben, wie der Trotzkismus zwischen den marxistischen Richtungen ein Anderes ist. Vorausgesetzt sind die Brüche mit den Waffennarren..
Soviel über den genialen FAZ-Verstorbenen aus seinen früheren Jahren. Ein flinker Zufall will es, dass im vorigen Nachruf 39 zu lesen ist, der Kriegsliebhaber Bernard-Henri Lévy habe auf dem letzten Kölner Meisterdenkertreffen »seinen Gesprächspartner Frank Schirrmacher fast zum ehrfürchtigen Schweigen gebracht.« So sah es die Kölnische Rundschau. Ehrfurcht hin oder her, das Schweige-Datum war nur um wenige Tage zu früh angesetzt. Bei der überwältigenden FAZ-Gedenkprozession im Blatt vom 14. Juni 204 darf Lévy seine philosophischen Kriegstänze kurz, aber massiv aufzählen, bevor er mit Schirrmacher endet: »Nun ist dieser große Lebendige gestorben. Die Gattung droht, noch etwas schneller unterzugehen. Europa und die Kultur trauern.« So der eine große Mann über den verstorbenen großen Mann. Mitten in die geschwätzigen Fassungslosigkeiten wegen Schirrmachers abruptem Endspiel mit Infarkt platzt noch Deutschlands allergrößter Mann, was der FAS am 15. Juni trotz aller Trauer-Artikel auf Seite 1 gar elf Zeilen wert ist: »Letztes Mittel – Bundespräsident Joachim Gauck ist dagegen, auf Militäreinsätze als Instrument deutscher Außenpolitik zu verzichten …« Soviel zur evangelischen Kriegstheologie mitten unter den Klage- und Schmerz-Bekundungen wegen des so plötzlich verstorbenen Frank Schirrmacher. Krieg muss sein? Der Pariser Philosoph Lévy plädiert wie Ex-Pastor Gauck dafür. Wir prophezeiten es im Nachwort 39: Dieser Bundespräsident ist die Revanche für Stalingrad. Der frühere CDU-Abgeordnete Todenhöfer, inzwischen aufgeklärt, fragt laut dpa am 17. Juni 2014: »Liebe Freunde, was haben wir bloß getan, um einen solchen ›Dschihadisten‹ als Präsidenten zu bekommen? Der wie ein Irrer alle paar Monate dafür wirbt, dass sich Deutschland endlich wieder an Kriegen beteiligt.«
Eine Woche ist vergangen. Die große Zeitung beklagt ihren genialischen Feuilleton-Zauberer weiter als sei sie ihres Vaters verlustig gegangen. FAZ weint Augen rot, weil Papa tot. Gemach, die Politik des Blattes bleibt tiefschwarz wie die Wirtschaft gefleckt. Ob das Feuilleton weiter so gewitzt changiert wie der wirbelwindige Frank bleibt vorerst unklar. In junge Welt vom 14./15. Juni 2014 teilt Christof Meueler kurz und bündig den Tatbestand mit: »Die große Glocke … Frank Schirrmacher ist tot.« Wir erinnern uns, wie er anfing zu läuten. Joachim C. Fest förderte den jungen Konservativen, der wie er selbst hochpassioniert Ernst-Jünger-Bücher las, was Schirrmachers zweitem Förderer Marcel Reich-Ranicki nicht gefiel. Also schwelgte Schirrmacher weniger bei Jünger, ohne Fest zu vernachlässigen. Bis beide Herren einander wegen Albert Speer in die Haare gerieten. Nachzulesen im Spiegel 14/2005, wo Fest auf Seite 142 glattweg fragt:»Ist Reich-Ranicki noch bei Trost?« Doch das ist schon wieder eine andere Geschichte, die mich am 9. Juli in Ossietzky höflich zurückfragen ließ: »Ist Joachim Fest noch bei Trost?«
Am 17. Juni findet sich auf den FAZ-Seiten im Kondolenz-Strom auch ein eindrucksvolles Beileid von »Kolleginnen und Kollegen der Frankfurter Rundschau.« Immerhin mit einer Spur Distanz: »Er wird uns fehlen als Anreger und Widerpart.« So die von der FAZ aufgekaufte FR, jahrzehntelang der FAZ-Widerpart, bis das letzte Halblinksblatt im Bauch des großen Wals verschwand wie einst laut Bibel der Prophet Jona. Der aber wurde am Meeresstrand von dem Riesentier wieder ausgespien, was für die FR am Mainufer nicht zu erwarten steht.
|
|
|
|
|