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Gerhard Zwerenz
Die Verteidigung Sachsens und warum Karl May die Indianer liebte
Sächsische Autobiographie in Fortsetzung | Teil 3 | Nachrufe & Abrechnung
Die Sächsische Autobiographie, inzwischen ungetarnt offen als authentisches Autobiographie-Roman-Fragment – weil unabgeschlossen – definiert, besteht bisher aus 99 Folgen (Kapiteln) und 99 Nachworten (Kapiteln). Der Dritte Teil trägt den Titel: Nachrufe & Abrechnung.
Schon 1813 wollten die Sachsen mit Napoleon Europa schaffen. Heute blicken wir staunend nach China. Die Philosophen nennen das coincidentia oppositorum, d.h. Einheit der Widersprüche. So läßt sich's fast heldenhaft in Fragmenten leben.
Nachrufe & Abrechnung 35 |
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Von Schwarzen Heften und Löchern
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Geburtshaus von Karl May in Hohenstein-Ernstthal:
Ausstellung über Karl May, der die Roten den Weißen vorzog wie Karl Marx die Roten den Schwarzen.
Handy-Foto von Waltraud Seidel |
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Wie unsere Gläubigen lehren, schuf Gott am Anfang Himmel und Erde. Wer aber schuf die Schwarzen Löcher, von denen Physiker und Astronomen seit etwa fünfzig Jahren bis heute immer wieder berichten, wenn auch die Wissenschaft noch ein wenig unsicher ist, ob es sich um Materie, Gegenmaterie oder die Hölle selbst handelt. Ein Teil der Schwarzen Löcher wurde indessen gerade aufgeklärt und veröffentlicht. Sie firmieren unter dem Titel Schwarze Hefte und stammen vom Philosophen Martin Heidegger. Er war aber nicht bei der CDU, sondern von Anfang bis Ende in der NSDAP, wo er »den Führer führen wollte«, was misslang und unsere vorherrschende bürgerliche Geistes-Elite in schwere Turbulenzen stürzte. Wir sahen das schon lange voraus und konstatierten: Heidegger in der Waschmaschine.
Das schien nur ein frommer Wunsch zu sein, hat sich aber erfüllt. Heideggers nachgelassene Hefte wirken auf seine Adepten als Schwarze Löcher, in die sie zu fallen drohen. Seine Freiburger Rektoratsrede vom Anfang war noch als Fehlstart interpretierbar, die Hefte sind der Rest vom braunen Schützenfest. Als vom Kupferschmied zum Silbenstecher transformierter Wortschütze verfiel ich zu Zeiten des Vietnamkrieges der aus ohnmächtiger Wut gekelterten schwarzen Antilyrik:.
Matthias Claudius – 1782
»'s ist Krieg! 's ist Krieg! O Gottes Engel wehre
Und rede du darein!
's ist leider Krieg – und ich begehre
Nicht schuld daran zu sein!«
Claudius lesend – Jahrhunderte später – sah ich es so
Schwarze Massaker
Gemach, die stadt von furcht bestückt,
Wird bald ihr feuer kennenlernen.
Die götterdämmerung ist halb geglückt.
Blut tropft nieder von den sternen.
Am marktplatz wird man alle männer schlachten
Und ihre augen einwärts drehn.
Die köpfe, die den aufstand brachten,
Die lernen auf dem spieß zu stehn.
Am fluss wird man die weiber massakrieren,
Der Magen kommt gleich ins gewässer.
Mit ihrem fett wird man die gleise schmieren.
Und ihre brüste legt man ein in gurkenfässer.
Mit kinderschädeln wird man fußball spielen
Am sonntagnachmittag und aller obrigkeit zum spaß.
Und aus den leibern, den zu vielen,
Wird schnell geliertes Bio-Aas
Soviel zum Krieg. Nun zum heutigen Frieden. Die Bundeskanzlerin bedrohte Putin am 13.3.2014 wegen der Krim-Krise mit Sanktionen, ausgenommen militärische. Der nicht weniger gottesfürchtige Bundespräsident hatte auf der Münchner Sicherheitskonferenz militärische Aktionen ausdrücklich einbeschlossen. Merkel gegen Gauck? Kein Krieg oder doch Krieg? Pastor und Pastorentochter, beide Ostprodukte, zwei unterschiedlich irre Meinungen. Das Wahlvolk will gar keinen Krieg, folgt aber gehorsam. Wem folgt es? Angenommen, die globale Situation verdüstert sich und Merkel votiert wie Gauck für Krieg, was dann, ihr Protestanten? Als Helmut Schmidt sich, wisst ihr noch, den fatalen Doppelbeschluss einfallen ließ, gab es massenhafte Proteste. Heute herrscht Ruhe in Deutschland. Die FAZ bangt am 14.3.2014: »Das Bürgertum zerfällt.« Tatsache? Domina Merkel ließ als erstes die obligate CDU-Herrengarde zerfallen. Für den Krieg gegen Putin, Moskau, die Russen genügen die Mediengeneräle und ihre nach Joseph Goebbels wiedergebürtigen mauläffischen Kanoniere. Ich wünsche den großen Fressen hinreichend Stalinorgeln und T 34 auf den Arsch.
Peter Bamm, der als Offizier der Wehrmacht den vorläufig letzten Weltkrieg nicht ganz vergessen wollte, berichtet in seinem Buch Die unsichtbare Flagge über die Tötung von Juden auf der Krim: »Wir wussten das. Wir taten nichts. Jeder, der wirklich protestiert oder etwas gegen das Mordkommando unternommen hätte, wäre vierundzwanzig Stunden später verhaftet worden und verschwunden. Es gehört zu den Raffinements der totalitären Staatskonstruktionen unseres Jahrhunderts, dass sie ihren Gegnern keine Gelegenheit geben, für ihre Überzeugung einen großen dramatischen Märtyrertod zu sterben. Den hätte vielleicht mancher auf sich genommen. Der totalitäre Staat lässt seine Gegner in einer stummen Anonymität verschwinden.«
Soviel von Peter Bamm zu seinem und seinesgleichen Versagen im totalitären Staat. Was er ehrlicherweise zugibt. Bedeutet das aber, der einzelne Gegner müsse kuschen, weil die Gelegenheit zum dramatischen Märtyrertod fehle? Wie wäre es mit völlig undramatischem Widerstand? Als Exempel in Kürzestfassung: Der Wirtschaftswissenschaftler Fritz Behrens entwickelte von der Universität Leipzig ausgehend eine ökonomisch- sozialistische Theorie, die ihm und seinen Schülern und Genossen ab 1957 Repressionen wegen Revisionismus einbrachte. Sein Neues ökonomisches System (NÖS) wurde verworfen, Anfang der 60er Jahr jedoch von Ulbricht in der DDR angeordnet. Erste Erfolge blieben nicht aus, stießen aber auf den Widerstand Breschnews und Honeckers, was 1971 zur Ablösung Ulbrichts und 1989 zum Ende der DDR führte. Was wäre, wenn Ulbricht das NÖS-Projekt von Behrens hätte weiter entwickeln können? Der Blick auf das China nach Mao zeigt den Weg zum Erfolg. Aber – gab es nicht am Beginn die Märtyrertoten auf dem Pekinger Platz des Himmlischen Friedens? In der DDR stand am Beginn der 17. Juni 1953 – nach dem Aufstand wäre Zeit genug für die neue ökonomische Politik gewesen. Mit Bloch gesprochen: Möglichkeit ist partiell Bedingtes. Kommt drauf an, wer couragiert genug den Zipfel der Geschichte ergreift. Ulbricht agierte 1953 und 1956 contra, und als er danach die NÖS doch noch riskierte, war es zu spät. (Nachruf 29 vom 23.12.2013) Die rote SED fiel in ein Schwarzes Loch. Das führt uns zurück zu Heideggers Schwarzen Heften.
Dazu ein Zitat von Ingrid Zwerenz in Ossietzky 22/2005 »Bloch über Sartre über Heidegger.« Abdruck auch im www.poetenladen.de:
So der endlich ernüchterte Sartre über Heidegger, der kam am 19. März 2014
per 3 Sat um 22 Uhr 25 als Untoter ins Haus:
Notiz nach dem Un-Genuss der Sendung. Der verbale Dreier verlief gebremst hin und her. Das Hohe Lied auf Heideggers Sein und Zeit vom Jahr 1927 plärrte der Adenauer-Preisträger Safransky, von dem kaum anderes zu erwarten stand. Enttäuschend Peter Trawny, vor einiger Zeit bei Aspekte im Gespräch mit Lutz Hachmeister so kritisch wie beeindruckend. Jetzt im Trialog erklang Sein und Zeit als nationaldeutsche und fugenlos anschließende westdeutsche Marschmusik. Keine Spur vom marxistischen Einspruch sowie Widerspruch durch Brecht, Bloch, Lukács… Da distanziert sich inzwischen selbst die FAZ deutlicher: vom antisemitischen Meisterdenker MH. Wir empfehlen die Benutzung einer Waschmaschine:
Kaum scheint Heideggers Herrschaft auf dem käuflichen Philosophiemarkt durch seine antisemitischen Schwarzen Hefte wo nicht gebrochen, so doch angekratzt, da meldet die FAS vom 23.3.2014 das Auftauchen neuer, also bisher unbekannter Hefte und schlussfolgert tapfer: »Wie antisemitisch diese neuen Bände sein werden und ob irgendwo noch schwärzere Hefte lagern, werden sicher die Diskussionen der kommenden Jahre ergeben.« Die zwei fettgedruckten Worte stehen so im Original und begründen die differenzierte Farbenlehre deutscher Dunkelheiten. Unsere Waschmaschinenproduzenten sollten sich drauf einstellen. Allerdings kann die FAS auch anders. In derselben Ausgabe porträtiert Kerstin Holm den bösen Putin so kenntnisreich und in dieser Umgebung ungewohnt fair, dass alle Schwarzen Löcher aufhellen. Am Ende des Artikels finden sich reine Wahrheiten über die Krim: »Ohne dieses Standbein (den Flottenstützpunkt Sewastopol – G.Z) würde das ohnehin überdehnte Russland zerfallen. Putin blieb, in seiner Logik, gar keine andere Wahl als die Krim zu annektieren.«
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Sebastian Haffner
Anmerkungen zu Hitler
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Na also, Frau Holm, es geht doch. Die Entdeckung pluraler Logik-en dürfte Aristoteles verblüffen. Dazu ein andermal. Hier noch ein Gruß an Antonia Baum, die in derselben FAS-Nummer schön eigenständig über den Führer rätselnd sich traut, dem Hitler-Biographen Joachim C. Fest eins überzuziehen. Sowas gar am ehemaligen Fest-Ort? Tapfer, tapfer, die beiden Journalistinnen. Wir nutzen die Gelegenheit, Sebastian Haffners Anmerkungen zu Hitler zu empfehlen, da bleibt das Braune braun und kein Raum für unterschiedlich schwarze Arschlöcher. Die sind ewig als Latrinenhengste anzutreffen. Sie aufzustöbern brauch ich nicht zu googlen, zupf' am linken Ohrläppchen und schon repliziert das brave Kurzzeitgedächtnis: Am 13.12.2007 beklagte die FAZ per Leitartikel die »Wiederauferstehung des Antifaschismus« und »damit des Geistes der DDR«.
Ist das nun pure redaktionelle Unwissenheit oder der postfaschistische Ungeist Schwarzer Löcher, deren Saugkraft Schwarzen Heften entstammt. Mein erster Lehrer, der mir in der Volksschule begegnete hieß Wutzler. Er war bärtig, groß, stark und freundlich zu uns ABC-Zwergen. Ab Februar 1933 betrat er schwarzgestiefelt in SA-Uniform den Klassenraum, brüllte herum und stank nach Heldenscheiße. Das ist ein deutsches Geschichtsparfüm. Ich muss gestehen, schon das geringste Partikelchen davon erleide ich wie Kotzbrocken mit Schlagsahne. Bei Brecht las sich's später so:
Vom kriegerischen Lehrer
Da war der Lehrer Huber
Der war für den Krieg, für den Krieg
Sprach er vom Alten Fritzen
Sah man sein Auge blitzen
Aber nie bei Wilhelm Pieck.
Ob Huber oder Wutzler, sie suchten uns zu dressieren. Jeder macht seine eigenen Erfahrungen. Als wir in den sechziger Jahren in Köln wohnten, wurde ich wegen einer meiner unpassenden antimilitaristischen Äußerungen aufs Polizeipräsidium bestellt, sah aber keinen Grund zur Abbitte. Ein älterer Beamter, offensichtlich der Chef und wohl schon unter Hitler im Dienst, verlor die Nerven und polterte, ich sei wohl Kommunist wie Brecht und Böll. Zur Ehre der anwesenden jüngeren Polizisten sei angemerkt, sie blickten betreten drein und suchten zu vermitteln. Es war die Häufung solcher Erlebnisse, die mich die Wendung der 68er gegen ihre Väter verstehen und sehr begrüßen ließ. Eine Kooperation mit den Spitzen und Amtsträgern dieser unaufgeklärten postnazistischen Bonner Staatsgesellschaft war nicht mein Ding, worüber Erich Kuby sich am 10.10.1974 im stern äußerte. Unter dem Titel Ein Querkopf ohne Heimat schreibt Kuby: »Er kam aus der DDR und wurde einer der schärfsten Kritiker der Bundesrepublik … Das Leben des Schriftstellers Gerhard Zwerenz enthält kaum eine Person, eine Situation, ein Milieu, die nicht auch in seinen Büchern vorkommen. Denn der gedrungene Linksliterat mit dem wuchernden Vollbart und dem markanten Quadrat-Kopf sieht sich außerstande, Unrecht und Ungerechtigkeit schweigend hinzunehmen.« Ich fand das freundlich von Kuby, fühlte mich aber immer noch in der Situation des Achtjährigen, der gegen das Verbot seiner Lieblingsbücher durch die Nazis revoltiert. Es gibt lebenslang imprägnierende Erfahrungen, und da wir gerade von linken Biographien und Autobiographien sprechen, sind die Konsequenzen gefragt.
Unbelehrbar auf dem Dritten Weg
Russland zu erobern weigerte ich mich
vom Dritten Reich aus. Die BRD zu erobern weigerte ich mich
von der DDR aus. Die DDR zu erobern weigerte ich mich
von der BRD aus. Den Balkan bis zum Hindukusch zu erobern
weigere ich mich unbelehrt wie eh und je. Ich hatte habe immer Unrecht. Ich weiß.
Unbelehrt und unbelehrbar sehe ich die fleißigen Volksbelehrer sich
abmühen. Sie immer oben. Wir andern immer unten. Der
Staat ist ihr Geschäft. Wir zahlen die Rechnung.
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Heinrich Krauss
Geflügelte Bibelworte
Das Lexikon biblischer Redensarten
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Dem Kaiser geben, was des Kaisers ist und Gott, was Gottes ist – in Geflügelte Bibelworte von Heinrich Krauss wird dazu angemerkt: »Ein Wort Jesu, das gerne zitiert wird, wenn es um Fragen der Abgrenzung zwischen Gott und Staat geht. Der Ausspruch findet sich in Jesu Geschichte vom ›Zinsgroschen‹ (Mt 22, 15-22; Mk 12, 13-17; Lk, 20, 2o-26) In seiner Allgemeinheit ist er nicht sehr hilfreich, da die eigentliche Problematik in der schwierigen Abgrenzung des religiösen vom politischen Bereich liegt. Die Pointe der Erzählung Jesu liegt tatsächlich woanders. Die Frage an Jesu, ob man dem Kaiser Steuer zahlen dürfe oder nicht, war eine Falle.« Soweit Krauss. Die Frage als Falle? Die Grammatik der Sklavensprache entschlüsselt die Figur eines religiösen Strategen. Hätte er den Kaiser bevorzugt, wären die Glaubens-Fundis sauer gewesen, den Gott aber zu favorisieren, wäre ihm vom römischen Kaiser und Staat übel angekreidet worden.
Eine signifikant adressierte Variante bieten die Leipziger Bloch-Abhörprotokolle der fünfziger Jahre, die wir in Folge 82 erwähnten. Laut Treffbericht mit GI Lorenz vom 7.12.1957 (wahrscheinlich Fiktionalisierung in eine Person, in Wirklichkeit Aufzeichnung durch Wanzen) erklärte Ernst Bloch: »Ich habe gesagt, dass ich mich zur DDR bekenne, dass ich diesen dritten Weg für diskutierbar halte … es gibt nur die Selbstreinigung des Marxismus, das ist eine alte Theorie von mir. Das heißt aber nicht, also Moment, zur DDR kann ich mich bekennen, zur Regierung nicht.« Wie deutlich wird, korrigiert Bloch die alten klassischen Positionen. Was beim Religionsgründer Gott und Kaiser waren, sind beim Philosophen 2000 Jahre später Staat und Regierung. Wo Jesus einer Provo-Frage geschickt lavierend auswich, provoziert der Philosoph des Dritten Weges anno 1957 mit dem aktiven Part einer Identitätserklärung. Trotz Umweg über Lauschanlagen entstand ein gezieltes Nachwort zum bis dahin vorliegenden Lebenswerk, dessen Abbruch wir dementieren. Das ist wörtlich zu nehmen. Als ich einst zu schreiben begann, ahnte ich nicht, dass aus dem kleinen Lebenslauf das biographische Konvolut einer heimatbedürftigen Linken werden würde. Erst als die revolutionären Sieger weltweit als Besiegte nur noch die Verlängerung ihrer Niederlagen anzubieten hatten, soweit sie nicht zu den Übermächtigen überliefen, erst da begriff ich, wir müssten den geschlagenen Genossen ihre wahre Geschichte zurückgeben. Da trat Karl May ins Zimmer und führte einen Handstand vor. Ich begriff, es geht darum, das Leben von den Füßen auf den Kopf zu stellen. Karl May abenteuerte durch ferne Gegenden, wir leben in Abenteuern daheim. Das ist ein Krieg der Köpfe. Seit Karl Marx müssen alle Linken jeweils emigrieren? Wir bleiben da. Es leben hier wie dort Millionen individueller Revolteure. Ihr Elend resultiert aus babylonischer Sprachverwirrung, die wahrscheinlich zum Ende der Menschen führt. Bleibt kein Krümel Hoffnung?
Doch. Sogar Helmut Schmidt wird als Urvater verblüffend weise. Da die christlichen Machtgardisten von Merkel bis Obama Russland samt Putin erledigen wollen, was Frau Timoschenko eigenhändig per Kopfschuss plus Atombombe auszuführen ankündigt, erklärt Helmut freundlich und bestimmt, er könne Putin verstehen. Respekt, alter Junge. Gleich kochen ehemals Frieden predigende Grüne wie Rebecca Harms und Werner Schulz vor Wut und Kriegslust über. Ein Grund mehr, der Linken ihre Geschichte zurückzuholen. Schon nutzen FAZ-Söldner den Krim-Fall zur Eskalation. Berthold Kohler am 25.3.2014 im Leitartikel: »Was der Westen nicht (falsch) machte.« Was denn? »Ein Pakt mit Moskau wäre eine Fortschreibung der Breschnew-Doktrin gewesen.« Also hart und eisern bleiben wie in Stalingrad, wo der großdeutsche Adolf auch schon mal delirierend siegte, wie er in München und Berlin lautsprecherte. Im Jahr 2014 reden immer mehr 1945 Besiegte samt alliierten Siegern so verblödet daher als sei die Ostfront ihr Heiliges Land, das es zu befreien gelte. Wer heute allen Ernstes annimmt, Russland werde auf die Krim verzichten können ohne zu explodieren, der ist entweder schafsdumm oder noch realitätsblinder als einst Hitlers Generäle.
Menschliche Kultur
Kultur ist:
Armeen aufstellen zur Verteidigung.
Fremde Länderein erobern.
Die Männer umbringen.
Die Frauen vergewaltigen.
Die Kinder abstechen.
Frieden schließen.
Siegreich heimkehren. In den Museen verzückt die
Bilder der alten Meister bewundern.
Und nun das Ganze nochmal
von vorn.
(Die Venusharfe Knaur 1985)
Aus Leipzig mailt Horst Möller einen »Antrag auf Mitgliedschaft in der GIZ-Partei, zu realisieren bei Verjüngungstrank im Schleichgang zum Nonnenkloster unterhalb des Faßkellers – salut …« Folgt:
Unsere Wahlheimat ist seit Blochs Zeiten Auerbachs Keller. Das steht 77 mal unwiderruflich im Text, weil Faust und Mephisto das wollen und Goethe es noch nicht hat wissen können. Das Vatermutterland um den Keller herum wird verteidigt und verdammt. Vom Halbsachsen Malaparte stammt der Titel Verdammte Toskaner, womit Verdammte Sachsen ausschied. Wir verteidigen als Halbsachsen ein Zukunftsprojekt, wie es In Sklavensprache und Revolte auf Seite 313 zu lesen ist und im poetenladen absichtsvoll gegen das Vergessen gerichtet so oft wie möglich variiert wird. Noch erleben wir, obzwar im kapitalen Endspiel, die eine oder andere Überraschung. Am 26. März, wegen Fußball erst kurz vor Mitternacht, die Runde bei Anne Will: Norbert Röttgen, unaufhaltsamer Sturzbach-Redner, ein trotz hohen Alters aufrechter Erhard Eppler, der unvermeidliche Arnulf Baring definiert zuerst sachlich die Krim als verloren und verfällt dann seinem gewohnten Kriegsgepolter. Endlich Frau Andrea von Knoop, Ehrenpräsidentin des Deutsch-Russischen Forums, artikuliert sich clare et distincte zum Thema wie schon auf der Hannover Messe 2013: »Für jemanden wie mich, die ich als Deutsche seit mehr als zwei Jahrzehnten in Russland lebe und arbeite, ist es besonders traurig, konstatieren zu müssen, dass heute bereits Mut dazu gehört, um mehr Verständnis für dieses großartige Land zu werben! Das einseitig negative Russlandbild, das fast unisono in den deutschen Medien verbreitet wird, angeheizt von der überheblichen und unangemessenen Russlandschelte einiger Politiker, die sich über diese Nische innenpolitisch zu profilieren trachten, hat inzwischen schädliche Ausmaße für die bilateralen Beziehungen angenommen!«
Mehr davon im www. Dazu gleich noch ein Wunder. Im FAZ-Feuilleton vom 27. März darf Dieter Bartetzko über die ganze erste Seite hin Antikriegswahrheiten präsentieren, Erich Kästner kommt zu Wort. Kurt Tucholsky wird nicht wie sonst in diesem Blatt üblich beschimpft, sondern fair zitiert. Abwendung von der Linkenhatz im bürgerlichen Zentralorgan? Die Roten Weltbühnenhefte sind als Medizin empfehlenswert gegen Schwarze Hefte und Löcher. Könnte auch sein, die Zeitung will wieder wie zu Zeiten der Gruppe 47 antreten: Schwarze Politik, goldene Wirtschaft, rotes Feuilleton.
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