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Gerhard Zwerenz
Die Verteidigung Sachsens und warum Karl May die Indianer liebte
Sächsische Autobiographie in Fortsetzung | Teil 3 | Nachrufe & Abrechnung
Die Sächsische Autobiographie, inzwischen ungetarnt offen als authentisches Autobiographie-Roman-Fragment – weil unabgeschlossen – definiert, besteht bisher aus 99 Folgen (Kapiteln) und 99 Nachworten (Kapiteln). Der Dritte Teil trägt den Titel: Nachrufe & Abrechnung.
Schon 1813 wollten die Sachsen mit Napoleon Europa schaffen. Heute blicken wir staunend nach China. Die Philosophen nennen das coincidentia oppositorum, d.h. Einheit der Widersprüche. So läßt sich's fast heldenhaft in Fragmenten leben.
Nachrufe & Abrechnung (3) |
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Es herrscht jetzt Ruhe in Deutschland – 1. Nachruf
Der Rasende Reporter und seine Geschichte über gestörte Kommunikation
Diesen Titel trägt eine 30-Seiten-Broschüre aus dem Jahr 1981, an die ich mich nicht mehr erinnerte. Die Schrift wird gelegentlich auf dem Gebrauchtwarenmarkt angeboten. Wir fanden sie nach längerer Suche im Internet und bestellten ein Exemplar. Ich lese die Seiten neugierig durch und frage im Hoffmann und Campe Verlag an, wie das Projekt vor drei Jahrzehnten startete und was daraus wurde. Außer meinem Bändchen wird noch von Margarete Mitscherlich Die Jugend braucht Vorbilder sowie von Karlheinz Deschner Ein Papst reist zum Tatort angeboten. Das Ganze sollte eine neue »Flugschriftenreihe« zur »200. Wiederkehr der Verlagsgründung« als »Forum für zeitkritische Themen« werden und bedeutet für mich einen Blick zurück in die Jahre, als die Ruhe in Deutschland noch Hoffnungen weckte, dass die nächste Unruhe bessere Zeiten brächte. Es wurden aber 1989/90 bloß die deutschen Einheits- Unruhen daraus. Mit diversen Kriegsfolgen. An dieser Stelle ist es nicht nur dramaturgisch reizvoll, unsere Geschichte vom ruhigen Deutschland im Jahr 2012 mit dem Anfang der Geschichte fortzusetzen, wie sie 1981 geschrieben wurde: »Kisch mit seinem feinen Spürsinn für das gleichzeitig Brüchige und Klassentypische überlieferte den beziehungsvoll scharfen Kasernenwitz vom schieläugigen Hauptmann, der die Front der angetretenen Kompanie abschreiten will und den ersten Soldaten fragt: ›Wie heißen Sie?‹ ›Schütze Anton Bruckner, Herr Hauptmann!‹, antwortet darauf der zweite Soldat. Jetzt herrscht der Hauptmann den zweiten an: ›Ich habe Sie ja gar nicht gefragt!‹ Woraufhin der dritte im Glied antwortet: ›Ich habe auch nichts gesagt, Herr Hauptmann!‹
Die Unmöglichkeit für einen schielenden Menschen, mit demjenigen ins Gespräch zu kommen, den er anblickt. Die militärische Disziplin lässt als Karikatur hervortreten, was als kategoriale Unfähigkeit zur Kommunikation zugrunde liegt. Einen bestimmten Augenfehler vorausgesetzt, erschließt sich eine Abfolge von Missverständnissen. Dass jemand schielt, ist nur eine mögliche Ursache von Folgen und viele Ursachen und viele Folgen machen es unmöglich, dass sich zwei Menschen zum direkten Gespräch finden. Denn was der eine will und was er tut, sind zwei verschiedene Schuhe. Was endlich daraus entsteht, ist ein dritter Schuh. Was soll der Mensch aber mit drei verschiedenen Schuhen. Weder ist er ein Dreibeiner, noch braucht jeder seiner drei Füße einen anderen Schuh.«
Zwischen Frage und Antwort liegen Welten. Die Verständigung ist gestört. Es herrscht tief innen Unruhe und außen gebannte Ruhe. Das führt aus dem Jahr 1981 direkt ins Heute. So entdeckt die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung zum Totensonntag 2012 einen Weg des Widerspruchs per Konzil und Revolte, wie der in Berlin lebende Wieland Elfferding, Spezialist für Glaubensfragen, Marxismus und Faschismus den Einfluss der Religion auf »Politik und Protest in Nachkriegsdeutschland« artikuliert. Im Artikel ist zu lesen: »Wichtig war, dass ausgerechnet Bloch der neuen Oppositionsbewegung Echo gab, sei es im Kampf gegen die Notstandsgesetze, sei es anlässlich der Verleihung des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels 1967. Blochs philosophischer Diskurs umfasste und reformierte die jüdisch-christliche Tradition ebenso wie die marxistische. Für einen kurzen historischen Moment leuchtete die Möglichkeit auf – auch dafür stand seine Person –, die auseinanderliegenden Kraftlinien der notwendigen politischen und sozialen Veränderungen und der Umbrüche in den religiösen Kontinenten zusammenzuführen. (…) Doch die Kräfte der Spaltung waren in einem weiterwirkenden Kalten Krieg stärker als die Kräfte der Vereinigung. Die um sich greifenden Verteufelungen förderten in allen Lagern Abgrenzung, Bestandssicherung und Identitätsbildung. Die Fragen offenzuhalten hätte mehr Anstrengung gekostet und ein größeres Risiko beschert.«
Elfferding hält Katholiken, SPD, Marxisten ihr Versagen vor: »Alle handelten nach dem Motto: Lieber klein, aber fein.« Diese Bereitschaft zur Selbstanalyse und Kritik ist natürlich meilenweit entfernt von jenem Eckhard Fuhr, der in seinem einstigen Mutterblatt FAZ vom 17.5.1992 unseren Freund Walter Böhlich rügte, weil der den »Kampf gegen rechts« fortsetzen wollte, was Fuhr als »unüberbietbare Verbohrtheit« Böhlichs und der »linken westdeutschen Intelligenzia« definierte. Unterm Flankenschutz westdeutscher Rechtspublizisten konnte der Nazi-Untergrund denn auch bis zum Mord-Trio gedeihen. Der Feind stand immer links. Diese Meinung vertrat von der Frankfurter CDU samt FAZ auch Erika Steinbach, bis das mainische Frontblatt am 20.11.2012, vom Druck nicht mehr zu verleugnender Fakten getrieben, eingestehen musste:»Viele Vertriebenenfunktionäre früher als Nazis aktiv Mehr als die Hälfte der Präsidiumsmitglieder einst in NSDAP – Studie des Instituts für Zeitgeschichte im BdV-Auftrag.« Die Tatsachen sind seit Jahrzehnten bekannt. Wer darüber schrieb war Kommunist. Sind Steinbach und FAZ-Kameraden jetzt ebenfalls Kommunisten? Gemach, Steinbach teilt mit, auch »viele Säulenheilige des Nachkriegsgeisteslebens« wie etwa Günter Grass oder Walter Jens müssten »inzwischen mit ihrer nicht ganz so lupenreinen Vita leben.« Zu den Differenzen zwischen der lupenreinen Steinbach und den von ihr zu Säulenheiligen ernannten Grass und Jens an anderer Stelle. Hier aber ein Dank in eigener Sache an den längst pensionierten Wolfram Schütte, der das Frankfurter Rundschau-Feuilleton auf einem Stand hielt, der nach seinem Abgang verloren ging, wobei sich die FR immer nachhaltiger selbst verabschiedete.
Am 10.2.1988 schrieb er in der FR: Es zischt – Heidegger und kein Ende, und danach rechnet er mit Heidegger, Carl Schmitt, Ernst Jünger & Co ab, dass es noch ein Vierteljahrhundert später Vergnügen bereitet. Salut Wolfram Schütte! Ich rieb inzwischen der FAZ ihre drei angebeteten Geistesriesen so oft und lange unter die Nase, dass sie den Gestank der NSDAP/Stahlhelm-Kumpanei nicht mehr aushielten. Es gibt freilich immer mal Rückfälle – die Herren vergessen gern das Gelernte. Da wir schon einmal im Nachlass der lieben FR stöbern, findet sich unter dem 5. Januar 1973 die Notiz: »Gerhard Zwerenz' ›Bericht aus dem Landesinneren‹, der im Frankfurter S. Fischer Verlag erschienen ist, hat die Darmstädter Jury zum Buch des Monats Januar gewählt.« Das war mir völlig entfallen. Der Landesinneren-Bericht enthält in der Tat manches Stücklein unerledigter Kulturgeschichte mit kurzen Porträts von Fritz Bauer und Karl Gerold. Ersterer Antifaschist der ersten Stunde und legendärer Generalstaatsanwalt, der Zweitgenannte Chef jener Frankfurter Rundschau, mit der nun Schluss ist. Im Duell FAZ –FR überlebte die stärkere nationale Kampfmaschine. Triumphal überlebte auch der vormalige bundesweit bekannte Frankfurter Kulturdezernent. »Kultur für alle auf höchstem Niveau – Ministerpräsident Volker Bouffier verleiht im Städel-Museum den Hessischen Kulturpreis an Hilmar Hoffmann.« (FAZ 5.11.2012)
Kein Ende der Durchsage aus den oberen Etagen. Der Preis bringt 45.000 €, die der Kulturdezernent, Goethe-Instituts-Expräsident als kleines Zubrot zu seinen diversen Pensionszahlungen gewiss dringend braucht. »Kunst und Kultur benötigen Unterstützung …« So Ministerpräsident Bouffier zu Hoffmann. CDU und SPD in inniger großer Koalition – das ist Kultur. In unserem Hausarchiv befinden sich noch nicht publizierte Manuskripte aus der Frankfurter Literatur-Theater-Kino-Vergangenheit. Wir müssen gelegentlich mal nachsehen, wie liebenswürdig das alles beschrieben wurde. Für einen Hessischen Kulturpreis könnte ich sie sogar unveröffentlicht lassen. Damit keine Unruhe im Land entsteht.
Am Schluss des 99. Nachwortes wird eine Diskussion über Gott bei Anne Will erwähnt, gibt es ihn oder gibt es ihn nicht? Der Streit wucherte wild. Die Argumente waren keine. Leidenschaftliche Bekundungen seelischer Zustände führten zum Duell zwischen Gläubigen und Ungläubigen, welche Geistererscheinung Kant einst als »Gewühl von Empfindungen« abtat. Der philosophische Einzelgänger aus dem vormaligen Königsberg ist heute abwesend wie das alte Ostpreußen und die alles andere als alte Kantsche Lehre vom Ichbewusstsein. Kant entfernte Gott aus der Philosophie und ließ ihn durch die Hintertür wieder rein. Freundlicher Seminarscherz zur Beruhigung aufgeregter Studentenseelen? Seit zwei Jahrhunderten – oder sind's Jahrtausende – wird der weltberühmte Königsberger-Klops-Klassiker fleißig studiert, es gibt ca. 1 Million Doktoren und Professoren, die ihn im Tiefschlaf seitenweise zitieren können. Die Talk-Runden von 2012 aber, diese weiblichen und männlichen Dampfplaudertaschen aus dem Familienalbum des Kleinbürgertums führen ihre statuarische Unwissenheit vor als wäre Kant so mausetot wie ihr Gott.
Zurück zu Wieland Elfferding, der in der FAS zum Totensonntag 2012 der Religion Einfluss auf den Protest in Nachkriegsdeutschland zusprach, die kleinen Menschlein aber nicht vergaß: »Die etwa zwanzig Schriftsteller, die in den fünfziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts die Opposition ersetzten, schlugen zwei Spaltungslinien in die westdeutsche Gesellschaft: die eine gegen den schleichenden Nazismus, die andere gegen das falsche Christentum.« Das ist hübsch gesagt. Die etwa zwanzig Schriftsteller begannen meist mit A wie Augstein oder Abendroth, endeten mit Zwerenz und wurden nach Strich und Faden beschimpft – Linke eben.
Weil der so sanfte und rücksichtversicherte Hilmar Hoffmann den Hessischen Kulturpreis kassieren darf und zugleich die Frankfurter Rundschau, unser alter Kulturkreuzer im Schuldenmeer kulturlos absäuft, erinnern auch wir uns vergangener Zeiten. Am 31.8.1989 kurz vor dem Mauerfall und den bald folgenden zahlreichen neuen Kriegen empfahl die Presse in seltener Einmütigkeit die Sendung meiner Trilogie der Schuldlosen, obwohl ich nun wirklich nicht durch die Blume hörspielte.
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Rezensionen in der Frankfurter Rundschau und in der Süddeutschen Zeitung
(Zoom per Klick)
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In der Tat war der Hessische Rundfunk mit dem Groß-Projekt voll eingestiegen. Gute Regie, beste Schauspieler. Die Resonanz unter den Hörern war ungewöhnlich stark. Nahezu sämtliche Sender übernahmen das Dreierpaket. Das hielt einige Jahre an. Dann verschwand die Antikriegstrilogie spurlos aus dem Programm. Der als Rotfunk verlästerte HR hält als Schwarzfunk keine Wiederholungsmöglichkeit mehr bereit. Ich übernahm die Antwort des toten Soldaten an seinen Herrn Hauptmann als Exempel meiner Auseinandersetzung mit Alfred Dregger ins Buch Soldaten sind Mörder – Die Deutschen und der Krieg. Das Buch machte wie die Trilogie Furore, bis es im Jubel über die deutsche Einheit unterging. Nach Dutzenden von Funk- und Fernseh-Sendungen, nach ungezählten Lesungen in vollen Sälen ist heute ein Stück einsames Samisdat daraus geworden. Der Soldat ist kein Mörder mehr, sagte der Kriegsminister Thomas de Maizière, der es wissen muss als legitimer Sohn des Hitler- und Adenauer-Generals Ulrich de Maizière. Mehr dazu in Ossietzky vom 10. November 2012: Kein Leben auf dem Ponyhof – von Otto Köhler. Tatsächlich sind in Zukunft Soldaten keine üblichen Mörder mehr, sie töten als Beamte mit Krawatte fern vom Schlachtfeld per Knopfdruck, wen zu töten ihnen befohlen wird. Mörderisch ist immer die Drohne, sie weiß davon ebensowenig wie ihre Vorgänger, die Soldaten in Menschengestalt.
Wir aber gedenken neben der FR auch des vergangenen HR-Rotfunks und ich hefte mir die Pressebesprechungen zur Trilogie der Schuldlosen als Fotokunstwerk an die Arbeitszimmer-Wand.
Schönes mainisches Liebeslied
Schon zu des jungen Goethe Zeiten
taten Huren den Männern am Main
die Zeit vertreiben.
Als Rudi Arndt regierte
durfte bumsen und bauen,
wer gut schmierte.
In der Ära Wallmann
griff man den Bahnhofsviertelfall an.
Huren raus
und Hochhäuser rein.
Das ist das schöne Lied von
Frankfurt am Main.
(Die Venusharfe, München 1985)
(aus: Gerhard Zwerenz:Der langsame Tod
des Rainer Werner Fassbinder, Schneekluth, München 1982)
Der Gag, bisher nicht publizierte Frankfurter Stories bei Verleihung des Hessischen Kulturpreises unveröffentlicht zu lassen, wird eskaliert durch den Vorschlag, Hilmar möge die 45.000 € Kultur-Knete wegen bei ihm bereits vorhandener beamtenhafter Überversorgung an mich weiterreichen zum Nutzen unseres überquellenden Hausarchivs. Ein Jahrhundert wuchernder Geschichte aus dem Blickwinkel eigenen Erlebens harren der Registratur. Zwei, besser drei Spezialisten täten gut. Das Marbacher Archiv war bereits hier, die Berliner Akademie wünschte auch zu übernehmen – wie aber könnte ich die Konvolute übergeben ohne sicher zu sein, es verkrümelte sich nicht etwa die eine oder andere heiße Quelle, Information, Dokumentation? Außerdem erwarte ich für meine und unsere Schätze mindestens eine halbe Million, wofür Hoffmanns Kulturspende als Anzahlung gelten könnte. Die Forderung ist moderat genug, bedenken wir unsere jahrzehntelangen Investitionen. Allein die mir vom HR und der FR bescheinigten 3 Desertionen kosteten mehr als die Schwarte hergibt. Setze ich die Desertion aus Hitlers Wehrmacht mit einer kleinen Million an, kann die aus Stalins Gefangenenmacht nicht billiger sein. Den Wert der Flucht auf dem 3. Weg aus dem literarischen Streichelzoo und den Philosophierereien verzwergter Übermenschen will ich gar nicht benennen. Es hat mir alles in allem immer wieder Spaß gemacht. Selbst das Gespräch mit diversen Wehrmachts- und Bundeswehroffizieren. Beispiel: FR 6.9.1989:
Das alles ist Geschichte. Mit den Hitler- und Adenauer-Generälen stritt sich unsereins noch herum. Das ist vorbei. Es gibt nur noch freiwillige Soldaten und die himmlische Herrschaft christlicher Drohnen. So herrscht Ruhe im Land. Außer im Feindesland. All dies steht hier zum Nachlesen, damit es später nicht heißt, es habe keiner gewarnt. Wir sind – waren – viele, die gewarnt haben. Gelten Brechts Karthago-Sätze nicht für Deutschland? Für Europa, diesen Nobelfriedenspreisträger mit blutvoller Vergangenheit und kriegsschwangerer Gegenwart? Dazu brauche ich mir nichts Neues einfallen zu lassen. Unseren ewig tapferen Kriegern las ich die Zukunft schon 1962 in Gesänge auf dem Markt aus der Panzerfaust:
ach es ist nicht dran zu denken
an den türmen eurer kathedralen
werden sich gebete henken und
verenden unter qualen
in den städten werden mauern
kein jahrhundert überstehen kein
jahrzehnt mehr überdauern
nur die schatten werden wehen
durch gedanken die gestorben
über namen die nicht sind
ein geschlecht hat sich verdorben
und es blieb davon kein kind
und ich sing den leeren städten
hier das große feuerlied
schüttle auf die totenbetten
schließ das fenster wenn es zieht
und ich liebe eure kinder
wenn sie hübsche waisen werden
ich besinge euren winter
krähen werden euch beerben
ja ich helf euch fröhlich sterben
und ich schlag den galgen auf
wer so blind ist soll verderben
vorwärts brüder ihr geht drauf
du mein landsknecht lüpf den schädel
aus dem schnappsack schlüpft dein atem
und dein allerliebstes mädel
spellt den schädel dir per spaten
lebt nun wohl genossen brüder
in den hades geht die fahrt
stillgestanden gewehr über
barbarossa an den bart
Am 28. Dezember 2012 offerierte die FAZ den 90 Jahre alten gutbetuchten Münchner Augustinums-Pensionär Hans-Erdmann Schönbeck, der vor 70 Jahren als junger Panzer-Offizier in Stalingrad schwer verwundet gerade noch ausgeflogen wurde. Der tapfre Breslauer Gutsbesitzersohn vermisste in Stalingrad »Wasser für die Rasur«, sitzt heute korrekt mit Weste, Krawatte und sportlich überm Knie gefalteten Händen vor der Kamera und erklärt sich so aufgeblasen wie geschwollen gegen die »Idee der Desertion«, denn »Deserteure, das waren meistens die, die zuviel Angst hatten.« Dazu fällt mir ein Hitler-Satz ein: Der Soldat kann sterben, der Deserteur muss sterben. Wären alle Nazi-Soldaten desertiert, hätte keiner sterben müssen. Soviel Charakterstärke bringen die feigen Helden nicht auf, nicht mal, wenn um sie herum alles in Scherben fällt. Hauptsache, es herrscht Ruhe in Deutschland.
Soweit war dieser Nachruf 1 im Kasten, als am Abend des bis dahin völlig unschuldigen 8. Januar 2013 in Arte ein gewisser Paule von Hintendurch auftrat und sich als Feldmarschall von Hindenburg herausstellte. Die Galerie der grauslichen Gladiatoren wird per tv immer penetranter. Kürzlich erst durch Wüstenfuchs Rommel. Hindenburg, der Held, schlug 1914 die Russen bei Tannenberg in die Flucht, was Feldmarschall Paulus in Stalingrad nicht gelang, wohl aber dem lebenslang grandiosen Freiheits-Fighter Joachim Gauck im geeinten Berlin. Hindenburg freilich hätschelte und hinterließ uns diesen Hitler. Wir kommen darauf zurück.
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