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Gerhard Zwerenz
Die Verteidigung Sachsens und warum Karl May die Indianer liebte
Sächsische Autobiographie in Fortsetzung | Teil 3 | Nachrufe & Abrechnung
Die Sächsische Autobiographie, inzwischen ungetarnt offen als authentisches Autobiographie-Roman-Fragment – weil unabgeschlossen – definiert, besteht bisher aus 99 Folgen (Kapiteln) und 99 Nachworten (Kapiteln). Der Dritte Teil trägt den Titel: Nachrufe & Abrechnung.
Schon 1813 wollten die Sachsen mit Napoleon Europa schaffen. Heute blicken wir staunend nach China. Die Philosophen nennen das coincidentia oppositorum, d.h. Einheit der Widersprüche. So läßt sich's fast heldenhaft in Fragmenten leben.
Nachrufe & Abrechnung 25 |
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Philosophie als Revolte mit Kopf und Bauch
Predigte Nietzsche für Büffel oder für Kriegshelden?
Zaratustra: „So lebt euer Leben des Gehorsams und des Krieges.“
Nicht das Denken des Denkers bestimmt seine Wirkung, sondern der Aggregatzustand, in dem die Gedanken beim Leser als Konsumenten ankommen, nachdem sie ein Netzwerk von Zerstörungen durchliefen. Die erste Verformung resultiert aus dem universitären Zustand des Massenbetriebs, das Verhältnis von Lehrer und Schüler, im Idealzustand eins zu eins, als Maximum höchstens eins zu zehn, ist durch unbegrenzte Ausweitung völlig entstellt. Die Vermittlung per Buch krankt, dies als zweites, am Warencharakter, und drittens endlich: die Weitergabe, so sie stattfindet, bedient einen Medienmarkt, der das zu Vermittelnde zurichtet, indem er seinen Verdauungsprozess dazwischenschaltet. Das Resultat stinkt entsprechend. Endlich fallen, soviel viertens, die Reflexionsresultate der scharfsinnigsten Denker den Verunstaltungen der jeweils herrschenden Mächte anheim, wie die Vorgänge Marx, Nietzsche, Bloch exemplarisch beweisen.
Von den Feinden abgesehen lügen auch die Freunde, so wurde der ewig malade Nietzsche als Soldat in beiden Weltkriegen aufgeboten, Marx von der proletarischen Diktatur zum Spruchband reduziert und Bloch endlich von Stalins wie Hitlers Genossen & Kameraden je nach Situation belohnt oder bestraft.
Fünftens geistert Philosophie als erneuerter Mythos durch die Köpfe, so dass von einer mythogenen Philosophie gesprochen werden muss, die nicht im ursprünglichen Sinne von Kultur und Religion mythenstiftend und -bildend wie dekonstruierend wirkt, sondern per Deformation. Wenn Lukács die aphoristische Schreibweise Nietzsches als antiaufklärerisch, doch durchaus unterhaltsam verübelt, trifft er nur einen Teil, denn das subjektive Potential des modernen Denkers entscheidet lediglich über dessen Verwertungsmöglichkeiten. Hegel zu zitieren scheitert leicht an dessen epischer Schwerfälligkeit, ist also höchstens Nachweis von Gelehrsamkeit, Nietzsche zu zitieren weist den Zitierenden ebenfalls als klugen Kopf aus, und zugleich als artistischen Jongleur, der es so oder so drehen kann, wie Nietzsche es perfekt handhabte, denn im Zarathustra steht: »Zuschauer will der Geist des Dichters: sollten's auch Büffel sein!«
Kein Zweifel, hier sagte der Dichter Nietzsche seine eigene Zukunft als Büffel voraus und zugleich unsere heutige tv-Kultur, in der selbst Meisterdenker noch ins Denkmuster zufällig diensthabender Moderatoren übersetzt und der fernste Zusammenhang per Digitalisierung hergestellt werden kann. Die Elite des Volks der Dichter und Denker wähnt sich endlich bei seinen Kulturgrößen angekommen. Die maschinell potente Medienmacht wird als kultureller Fortschritt akzeptiert, der brav dem eigenen Fingerdruck gehorcht. Dabei zappt und zappelt der Medienkonsument in einer Gemengelage wie der Mensch des frühen Mittelalters in seinen religiösen Himmels- und Höllenmythen.
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Marx schrieb 11 Feuerbach-Thesen,
Bloch die 12. „Es kommt darauf an,
sich zu verändern.“
(inklusive der Büffel) |
Soviel zur palavernden Postmoderne. Und soviel zur letzten Revolutions- Philosophie: In den zweiundvierzig Seiten »Weltveränderung oder die elf Thesen von Marx über Feuerbach« im ersten Band Das Prinzip Hoffnung sagt Bloch alles, was sagbar war, inklusive dessen, was die Partei nicht hören wollte. Wer den Text ernst nimmt, stößt auf Konterbande. Blochs Parteifeindlichkeit, Ende 1956 mit gewaltigem Getöse entdeckt und zum Lehrverbot führend, war 1954 in Band eins des Hauptwerkes längst als Leipziger Zusatz eingeschmuggelt worden. Allerdings verschlüsselt. Der Distanzierung, die Marx gegenüber der Philosophie an den Tag legte, wird per zielbewusster Relativierung zugestimmt. Zog die Orthodoxie aus der 11. These den Schluss, die Philosophie sei beendet, verschiebt Bloch die Bedeutung, indem er nur die bisherige Philosophie als an einem Schlusspunkt angelangt erklärt und damit Platz für seine eigene schafft. Die Gegner, die es ihm als Revisionismus verübelten, hatten vom orthodoxen Standpunkt aus gesehen recht und polemisierten guten Glaubens im heiligen Zorn gegen Ketzer. Wobei sie verbissen ein untaugliches System verteidigten, das zum Niedergang führen musste.
Genau betrachtet zeigt sich, Bloch akzeptiert die 11. Feuerbach-These im Sinne von Marx, der sie für sich als taktische Leitschnur formulierte. Marx kannte sich als Hegelianer allerdings in der Philosophie, wie bereits seine Dissertation erweist, zu gut aus, als dass er sie hätte etwa in toto verwerfen können. Eine über die revolutionäre Situation hinausgehende Vernachlässigung der Philosophie oder gar ihre völlige Missachtung hätte, wie er genau wusste, endzeitliche Konsequenzen. Nach der Niederlage des Leninismus von Stalin bis Jelzin und Gorbatschow ist es soweit. West folgt nun Ost nach.
»Befinden wir uns etwa am Vorabend eines neuen globalen Krieges? Ähnelt die Situation heute der vor hundert Jahren, als die Staatsmänner der Welt schlafwandelnd der Urkatastrophe von 1914 bis 1918 entgegentaumelten?« So schicksalsergeben beginnt Stephan Löwenstein in der FAZ vom 9. Oktober d.J. seinen Artikel »Der Weg in die Urkatastrophe«, womit er sich auf den hervorragend strittigen Titel Die Schlafwandler des Historikers Christopher Clark bezieht. Wie war das also, ist allein das Kaiserreich oder sind auch die anderen beteiligten Staaten in den 1. Weltkrieg geschlafwandelt? Deutsche Alleinschuld ja oder nein? Fragen wir nicht national beschränkt, sondern offen revolutionär: Was hätte sich ereignet, wäre die deutsche Sozialdemokratie als stärkste Partei der Zweiten Internationale 1914 ihren Friedensschwüren treu geblieben statt per Burgfrieden den Krieg mitzuführen? Statt Schlafwandel kalkulierter Verrat an allen pazifistischen Ideen. Die Urkatastrophe dauert in den Köpfen bis heute an. Die FAZ hält in der gleichen Ausgabe sogar ein Trostwort bereit:»Priesterrat in Limburg will Bischofsrücktritt.« Das erinnert verbal ein wenig an die Arbeiter- und Soldatenräte der Jahre 1917/18.
Postkulturell eindimensional
Wenn jeder nur noch seinen Job tut
steht das Ende bevor.
Auch wer keinen Job hat
tut ihn und sonst nichts.
Die einen blicken ins Buch und
blicken auf und sagen Marx.
Die andern blicken in den
Himmel und sagen Jesus Christus.
Wissenschaftler sind mit der
Natur beschäftigt bis sie aufhört
Juristen sorgen für das
Recht der Stärkeren.
An den Börsen werden Gewinne
maximiert. Die Kosten tragen
die Schwächeren. Regierungen
verwalten die Schulden.
Wer einen Job hat ist gut
gelagert. Es läuft wie geschmiert
Wer keinen Job hat hofft auf
das Ableben der anderen.
Sobald eine Stelle frei ist
Wird sie nicht neu besetzt
Irgendwo stehen ein paar einsame
Idealisten: Da war doch mal was?
Wenn sie erst einen Job ergattert
haben fragen sie nicht mehr.
Stellen wir uns die Zeit nicht als linearen Verlauf vor, vielmehr als Punkt, in dem alles versammelt ist – gefrorene Zeit. Abraham und Obama, Jesus und Napoleon, Karl der Große und Eva Braun auf Tuchfühlung. Allein die Historiker bestimmen den Unterschied, und immer anders, wie der Zeitgeist, also die Machthaber, es wollen. Kurzum, wird die Zeit dekonstruiert, erscheint sie nackt wie der Kaiser von China oder sonstwo. Stephan Löwenstein in der FAZ vom 9. Oktober: » …Europa soll intellektuell nicht in die Frontstellungen von 1914 zurückfallen.« Als hätte es die jemals verlassen. In seinen alten Schützengräben hockt Europa eiszeitlich eingefroren.
Wir sprechen immer noch von Erich Loest, der die Überlebenden nicht per Freitod von sich befreit. Trotz aller Zuwendungen blieb er bis zuletzt unversöhnlich. Da fehlt eine Stimme. Sie war für mich seit 1953/54 hörbar, auch wenn sie schweigen musste. Seine Leipziger Bücher galten der Stadt. als hätte er ihr mehr zu verdanken. Sein rabiater Fenstersturz setzt als Ende der Rückkehr eine Zäsur, mit der die Stadt an der Pleiße vom Modell zum Ort eines Duells wurde. Ein Politiker, der gegen Erich antrat, wusste nicht, wen er herausforderte. »Es gibt eine Differenz zwischen Schriftstellern, die aus Schmerz und Schock und Zwang heraus arbeiten, und den vielen anderen, die lieblich, heiter und unbeschwert sich äußern als feuilletonistische Traumtänzer oder postmoderne Äquilibristen und Akrobaten.« (Sklavensprache und Revolte Seite 239) Loests Verfolger, ein politkrimineller Karrierist, schaffte es mit seiner Jagd bis ins SED-Politbüro. Erich Loest, horribile dictu, machte Karl Marx dafür mitverantwortlich. Daraus eskalierte Universitäts- und Stadthistorie.
Inzwischen fließt der Strom der Weltgeschichte weiter. Letzte Neuigkeit unserer Zeitung von den Ufern des Main: »Im Osten rechnen Schüler besser als im Westen.« Stammt also der Rechenstift aus dem Osten oder sind die Lehrer dort drüben von der umtriebigen Stasi gedrillt worden? Die FAZ am 12. Oktober im Leitartikel: »Der Osten leuchtet«. Das ist uns Ostlern nicht so neu wie den reichen Onkels im schrägen Westen, der laut unserer Gewerkschafts-Verdi-Zeitung Publik »Vor dem Kollaps« steht. Die enorme Schlagzeile, nur auf Krankenhäuser gezielt, signalisiert jedoch das ganze Leiden im Detail: »162.000 Vollzeitkräfte fehlen in Deutschlands Kliniken, das Pflegepersonal ächzt unter ständiger Überlastung …« Da hilft weder Politik noch Philosophie weiter. Es mangelt an Geld in den Kassen, die Herrschaften können nicht rechnen, obwohl Merkel plus Gauck aus dem Osten stammen. Keine Angst. Bangemachen gilt nicht. Die FAZ baute schon am 10.10.2013 vor: »Immer mehr Millionäre in Deutschland« – die können im Westen offenbar rechnen.
Das Quartett der Aufklärer und keiner ohne Gegner, die äußern sich so: Gegen Kopernikus: Und die Bibel hat doch recht. Gegen Darwin: Wir Affen stammen nicht vom Menschen ab. Gegen Freud: Freudlos sei der Mensch und nicht geil. Gegen Marx: Als Stalin wiedergeboren brachte er unseren geliebten Adolf Hitler um die Ecke.
Kopernikus entmystifizierte das astronomische, Darwin das biologische Weltbild, Freud das psychologische Menschenbild, Marx unser Wissen von der Gesellschaft. So etwa heißt es in aufgeklärten Kreisen. Alle vier Pionierleistungen stießen – stoßen auf Feindschaft. Die Marxsche Kapital-Dekonstruktion aber teilt die Kultur des Abendlandes wie einst der Dreißigjährige Krieg Europa zwischen Katholiken und Protestanten. Was aber ist ein dreißigjähriger Krieg von 1618 bis 1648 im Vergleich mit dem hundertjährigen Weltkrieg, der 1914 begann und 2013 bei weitem nicht enden wird. Das 1913 in Leipzig eingeweihte Völkerschlachtdenkmal verweist auf Napoleons Niederlage 1813 an der Pleiße zurück. 1914 begann der neue – erste –Weltkrieg mit dem fortwirkenden Friedensverrat der Sozialdemokratie an ihren Antikriegsschwüren. Der Rest sind große Koalitionen und ein linker Widerstand, der auf der Kippe steht.
Loest in Durch die Erde ein Riss, Seite 298/99: »Er gehörte jetzt der Parteigruppe des Schriftstellerverbandes an und referierte im Parteilehrjahr über Hegels Ästhetik … Friedlich-freundlich saßen sie beisammen und ließen sich erklären, was Zwerenz bei Bloch gelernt hatte …« Das war 1956/57 und um sie herum wurde es immer unfriedlicher. Hegel diente als marxgeheiligter Schutzschild. Ich hatte gerade mein Bändchen Aristotelische und Brechtsche Dramatik hinter mir und bei Aristoteles den Antigottesbeweis entdeckt, den es bekanntlich wie den Gottesbeweis gar nicht gibt. Unterscheiden wir aber Einzelnes und Allgemeines, verlockt das Allgemeine, ist es nicht in seinen Einzelheiten nachweisbar, zum Glauben. Gott ist, wie die Partei, die höchste denkbare Allgemeinheit, also musst du daran glauben oder die Folgen deines intransigenten Unglaubens tragen. In der Kindheit hatte ich 1933 lernen müssen, unsere verfolgten Bücher erst zu verschweigen und später zu verbergen. 1956 lernte ich die Kunst einer Sklavensprache, die dennoch keine Lüge ist, also auf dem Hackebeilchen zu balancieren riskiert.
Mehr über die Philosophie der Differenz, die lange vor den neuen, inzwischen veralteten Pariser Meisterdenkern aus dem Osten kam:
Nachwort 35: Die Philosophenschlacht von Leipzig
Nachwort 36: Dekonstruktion oder das Ende der Verspätung ist das Ende
Nachwort 46: Dekonstruktion als Kriminalgeschichte I
Damit ist die Verallgemeinerungsfähigkeit der Sprache als ewige Kriegsursache noch nicht hinreichend aufgeklärt. Macht, Religion, Wirtschaft werden ständig artikuliert. Der Begriff, im Wort verpackt und geheiligt, erhärtet zur tödlichen Waffe, mit der Anders- und Ungläubige zu bekämpfen sind, bis sie dran glauben müssen.
So saßen wir inmitten Europas am Pleißenufer vorm Reichsgerichtskoloss herum und forderten die Götter heraus. Unser Leipziger Modell bestand aus einer Gruppe von Jüngern mit Ernst Bloch als atheistischen Juden, der den Jesus als Revolutionär gab mit Thomas Münzer als Pseudonym. Zu den anfangs elf Bloch-Jüngern gesellten sich allerlei andere, bis die Obrigkeit donnerte und Walterchen von Berlin aus Blitze schleuderte. Dieses Protokoll notiert die Gestalten. Der eine blieb am Ort, wurde Professor, schrieb Bücher und Dramen, Szenarien für Fernsehfilme, erwies sich als zu sensibel und verstarb an der Einheit. Der andere hatte nur die Hälfte der Haftzeit von Loest abzubüßen, entfloh in den Westen, machte hohe Karriere in Springers Welt und bewarf Ernst und Karola Bloch samt Freunden mit Schlamm als ginge er beim Hassprediger William S. Schlamm in die Lehre. Außerdem wurde er Doktor und Professor und beliefert noch immer das Exzellenzblatt Junge Freiheit mit hurtigen Leitartikeln. Über andere Biographien sind im www.poetenladen.de an den entsprechenden Stellen die dramaturgischen Details vermerkt. Old Erich und Old Gerhard bilden dazwischen die Modell-Duell-Gruppe, von der ich am meisten weiß, weil – aber lassen wir das.
Heute, am 11.10.2013 lässt der uns sittsam und sattsam bekannte FAZ-Meisterfeuilletonist Lorenz Jäger jenen Prof. Dr. Günter Zehm zu dessen 80. Geburtstag hoch und höher leben. Wir gedachten des Jubilars bereits vor wenigen Sätzen, die Junge Freiheit wird ihn staatsbrieflich wie die FAZ gebührend zu feiern wissen. So steht er als statuarischer Rechts-Außen-Blochianer in der Gegend herum wie anderseits der jüngst dahingeschiedene Prof. Hans Heinz Holz als Hegel-Lenin-Stalin-Proselyt im Viererpack. (Nachwort 33) Gestern wurde wieder angefragt nach der Anzahl der in den – bisher – 3000 Seiten dieses Buches Genannten, vorabgedruckt als Überlebensserie im www.poetenladen.de Leipzig. Es sind wohl mehr als tausend Personen, und wer bei uns nicht vorkommt hat falsch gelebt und wird von den staatsparteihörig diplomierten Märchenerzählern zu jener Masse eingestampft, aus der sie ihre unsterblichen Werke schöpfen. Mehr über die Masse bei den Kollegen Schopenhauer, Le Bon, Julien Benda, George Orwell …
Mit Jürgen Habermas ließe sich unser Leipziger Oppositionsmodell als versuchte kommunikative Interaktion bezeichnen. Leider wusste das die Partei nicht. Nehmen wir statt Partei das weniger abstrakte Politbüro. 22 Männer und 1 Frau präsentieren sich. Die halbe Gruppe war der Verfolgung 1. durch Hitler und 2. durch Stalin gerade noch so entkommen. Keine deutsche Obrigkeit hat mehr zu bieten. Warum also lieferten sie nichts Besseres von Bestand? Fehlte wohl ein Habermas als Ratgeber. 22 Genossen und 1 Genossin zwischen den Nachkommen Hitlers und Stalins eingeklemmt. Ihnen fehlte es an Kapital und Freiheit. Selbst an Freiheit zum Marxismus. Ihr Versuch scheiterte. So besiegten die Westnachkommen die Ostnachkommen. Bleibt die Ausnahme Willy Brandt – SAP/SPD,
Aber:
Ich bin der Pfahl im Fleisch der
SPD, sagte die Frau Links. Die
SPD sprach: Ich kenne dich nicht. Antwortete
die Frau Links: Du wirst
mich schon noch kennenlernen
wollen, begegnen wir uns erst
Unter den Linden.
Unsere deutsche Sozialdemokratie ist auf ihre alte Kriegsdevise Noske statt Marx zurückgerastet. Das Land wird dominiert von Machtmenschen und jenen Neonihilisten-Kompanien, die nur darauf lauern, sich den Machtmenschen anzuschließen. Im Inneren der Volksseele und zensiert von ihren Verführern läuft die kommunistische Tragödie ab. Was fortexistiert, ist unser verborgenes Bloch-Land. Denn der Wunsch nach linker Einheit ist bloße romantische Sehnsucht, solange Sozialdemokraten sich weigern, Tote, die sie auf dem Kerbholz haben, ehrlich zu betrauern und offen zu bereuen; nicht anders die Kommunisten, denen es noch schwerer fällt, die von ihnen verschuldeten Opfer über den eigenen Toten nicht zu vergessen, zumal die Reihe der Täter von Noske bis Hitler auch Stalin und seine Henker einbeziehen muss. Wie da gerecht und aufrecht bleiben?
Erich Loest in Durch die Erde ein Riss: »Leipzig sog er auf, Leipzig sog ihn auf.« Und hob ihn auf und zog ihn hinab. Walter Ulbricht und sein Feldwebelkoch Fröhlich hatten einen Schriftsteller in den Bau geschickt, der sich siebeneinhalb Jahre später - kein einziger Tag war ihm erlassen worden – so ungebrochen an seine Schreibmaschine setzte, wie er sie verlassen hatte. Mit einem Unterschied. Er war jetzt, wie einst Dostojewski, schwer traumatisiert. Von diesem Trauma der Einsamkeit, von der Verlassenheit des Häftlings wird noch zu reden sein.
Für den 22.10.2013 lud die Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur nach Berlin zur Veranstaltung »Pershing II und SS-20« ein. Erläuterung: »Eine massiv verschärfte Rüstungspolitik offenbarte zu Beginn der 1980er-Jahre das Heraufziehen eines ›zweiten Kalten Krieges› zwischen den Supermächten. Die Stationierung neuer sowjetischer Mittelstreckenraketen (SS-20) und die von der Bundesregierung Schmidt initiierte Reaktion der NATO mit ihrem ›Doppelbeschluss‹, der dann von der Bundesregierung Kohl realisiert wurde, erhöhte die Spannungen zwischen den politischen Blöcken, zugleich regte sich Widerstand.«
Immerhin wird hier die Konfliktverschärfung und Schmidt/Kohls fleißiger Anteil daran benannt, wenn auch ziemlich verlegen und verschämt. Es regte sich gar Widerstand in West wie Ost. Wie schön. Einladungen der Bundesstiftung liegen oft im Briefkasten und gehen uns als fromme Staatspapiere selten etwas an. Im November 2006 gab's per Programm eine Einladung zur Diskussion mit Erich Loest. Überrascht fuhren wir nach Berlin. Doch Erich weigerte sich, mit Ingrid und mir gemeinsam auf dem Podium zu sitzen. Einen Händedruck zur Begrüßung rang er sich gerade noch ab. Die Diskussion mit anderen endete irrlichternd kurz vor Mitternacht.
Über den www.poetenladen.de ging uns am 15.10. eine E-mail-Botschaft aus Zürich zu: »… unbedingt muss ich mich bei Ihnen bedanken: Ich lese und lese Ihre Verteidigung Sachsens, und es ist eine aufklärende Wohltat sogar im Bezug auf mich selbst, nachdem ich schon dachte, ich sei der heimatloseste der Heimatlosen. Ich wusste gar nicht mehr, dass ich doch im Gymnasium in den siebziger Jahren mal so etwas wie ein Blochianer geworden war.
Herzlichen Dank – Thomas Hannibal, Zürich«
Herzlichen Gruß nach Zürich. Blochianer finden sich als Sympathisanten über Grenzen hinweg und bleiben nie ohne Heimat, es sei denn an den vier Tagen im Oktober 2013, als Leipzig sich darin gefiel, das dumpfe blutrünstige Völkerschlachten von 1813 in Echtzeit nachzuäffen. So dauert die Echtzeit diverser Konterrevolutionen europa- und weltweit bis heute an.
Die Germanistin Dr. Waltraud Seidel, nach der Vereinigung von der Leipziger Karl-Marx-Universität ins Altenburger Umland verschlagen, mailt zu den fatalen Zitaten Siegfried Wagners im Nachruf 24 : »Danke für die heutige „Überlebensrede“. Was „dieser Zwerenz“ aber auch immer dem Siegfried Wagner für Ärger machen musste! Bernd-Lutz Lange nennt ihn ebenfalls, mehr aber Paul Fröhlichs Machenschaften in den sechziger Jahren, vor allem nach dem 11. Plenum (Dez.65), als die Hetztiraden gegen Kunst und Kultur den „großen Bruder“ ablenken sollten von den geringen Ungehorsamkeiten im wirtschaftlichen Bereich. Kann nur gering gewesen sein, sonst hätte sich Erich Apel nicht das Leben genommen.«
Frau Seidel zieht den Trauerflor von Loests Freitod (?) bis zum Suizid Apels durch. Auch das ein Stück DDR-Geschichte. Paul Fröhlichs Worte und Taten zählen zu den Ursachen des Misslingens. Loest wenige Wochen vor seinem Todessprung: »Ich kann nicht vergessen und will es auch nicht … Meine alten Gegner haben gesiegt.« Der nach Leipzig zurückgekehrte Schriftsteller so erfolgreich wie unheilbar depressiv? Auf ein Wort, Erich, das kann doch nicht wahr sein. Seine Antwort vom Karl-May-Forum aus dem Himmel der Poeten: Der Kampf geht weiter, Howgh – ich habe gesprochen … Erich tritt zur Seite. Flink ergreift Karl May das überdimensionale Himmelshandy: Eure DDR erinnert mich ans Inka-Reich. Immer besiegt und trotzdem alle Zeiten überdauernd – Zwischenruf Loest: Der May-Karl, ist er etwa auch ein Marxist? Und Karl May flott wie immer: Liebe deine Indianer wie dich selbst. Twitter vom Politbüro der Hölle: Lenin hinterließ uns eine Weltrevolution und ihr habt sie verschissen! Mit Blitz und Donner – im Auftrag des Genossen Stalin – Paul Fröhlich, vormals Leipzig. Protestruf von Petrus am Himmelstor: Wo bleibt, ihr Genossen Erzengel, eure Revolte mit Kopf und Bauch? Es klingt als sänge er die Internationale oder Eine feste Burg ist unser Gott …
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