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Gerhard Zwerenz
Die Verteidigung Sachsens und warum Karl May die Indianer liebte
Sächsische Autobiographie in Fortsetzung | Teil 3 | Nachrufe & Abrechnung
Die Sächsische Autobiographie, inzwischen ungetarnt offen als authentisches Autobiographie-Roman-Fragment – weil unabgeschlossen – definiert, besteht bisher aus 99 Folgen (Kapiteln) und 99 Nachworten (Kapiteln). Der Dritte Teil trägt den Titel: Nachrufe & Abrechnung.
Schon 1813 wollten die Sachsen mit Napoleon Europa schaffen. Heute blicken wir staunend nach China. Die Philosophen nennen das coincidentia oppositorum, d.h. Einheit der Widersprüche. So läßt sich's fast heldenhaft in Fragmenten leben.
Nachrufe & Abrechnung 48 |
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Autobiographie als subjektive Geschichtsgeschichten
Wolfgang Abendroth gehörte zu den Gründern des Sozialistischen Bundes und war gemeinsam mit Ernst Bloch, O.K. Flechtheim und Erich Kästner aktiv in der Kampagne für Demokratie und Abrüstung – Beste Traditionen. | Henning Venske: Viel zu links für die Ex-Linke Cora Stephan
Sehr früh am Morgen liegt die FAZ im Briefkasten, neues deutschland und junge Welt langen erst mit der Post hier an, entweder nachmittags oder zum Abendbrot. So gibt's nach dem Frühstückskaffee das dicke Blatt aus Frankfurt, früher war's die Frankfurter Rundschau, bis sie den Geist Karl Gerolds verlor. Springers Welt wurde laut Notiz zuletzt am 3.3.2012 gelesen, als der einstige Pflasterstrand-Revoluzzer Reinhard Mohr mit der Linken abrechnete. Das begann ganz manierlich:»Waren das Zeiten. Es gab weder Facebook noch Twitter, dafür aber das ›Wunder von Bern‹, Heinz Erhardt und den ›Langen Eugen‹: Erinnerungsstücke der frühen Bundesrepublik, deren konkrete Utopie der Wohlstand war. Zu ihrem unvergesslichen Inventar gehörte aber auch die berühmt- berüchtigte Unterschriftenliste von Abendroth bis Zwerenz, von Günter Grass bis Walter Jens. Buchstäblich von A bis Z versammelte sich hier regelmäßig ein ganzes Bataillon aus Schriftstellern und Künstlern, um gegen Wiederaufrüstung und Atomraketen, Berufsverbote und Volkszählung zu protestieren. Mehr als zwei Jahrzehnte lang galt: Der Geist weht links. Noch über die Zeitenwende von 1989 hinaus war die Gleichung stets dieselbe: Intellektuelle waren antikapitalistisch, pazifistisch und sozial.« Danach kommt's knüppeldicke. Der einstmals linksradikale Pflasterstrand-Schreiber wirft seine Pflastersteine gegen die früheren Genossen. Gelernt ist gelernt. Nach den Salonlinken, die man schon als Linksradikaler verachtet hatte, lässt sich von der sicheren, soignierten Welt aus endlich mit den Maßstabsetzern abrechnen, das sind arg viele wie Dietmar Dath, ein Kommunist, der in FAZ und jW schreibt, und Karin Leukefeld, mit der verglichen Dath noch ein Waisenknabe ist. Warum wohl? Egal. Der Schimpf entlastet die trostbedürftige Wendeseele. Dem exlinksradikalen Herrn ist das heutige FAZ-Feuilleton ein Graus, die Namen fliegen wie Gasgranaten: Schirrmacher, Minkmar … 2013 erschien im Gütersloher Verlagshaus Mohrs Bin ich jetzt reaktionär? Bekenntnisse eines Altlinken als Buch, doch der tapfre Renegat ist nicht allein eingeschwärzt, selbst im durch Mohr der Linkslastigkeit angeklagten FAZ-Feuilleton darf Cora Stephan jüngst am 23.10.2014 die Autobiographie des Kabarettisten Henning Venske durch den Wolf drehen und verwursten – eine Schwarzschlächterei sozusagen, auch sie einst jener Frankfurter Linken zugehörig, deren Spitzenstraßenkämpfer inzwischen die Nachfolge ihrer einst verhassten und beschimpften Väter antraten. Finanzieller Erfolg macht süchtig. Es muss nicht immer Shit sein. Immerhin darf im FAZ-Feuilleton nur zwei Tage nach Cora Stephans Feldzug gegen einen Linksschreiber der nach Moskau exilierte tapfre Aufklärer Snowden kenntnisreich gewürdigt werden. Der Autor ist Patrick Bahners. Da kriegt Mohr wohl noch viel zu tun. Die Welt hat's bei sinkender Auflage nötig.
Einwurf 2002
Gewehr wegwerfen. Rock und
Stiefel ausziehen. Hemd und
Haut verkaufen. Brille putzen
Bibel durchforschen Nerven
Behalten. Schöne Sprüche
Für Gläubige und Genossen.
Alte Feinde werden neue
Freunde. Kommando: Antreten
Zum Gespensterappell.
Dies ist mein Land. Es
Gehört mir nicht. Meine
Guten Gefühle rühren sich
Trotz Stillgestanden und
Scharfschützentraining.
Die alten Feinde, die mir
Zu neuen Freunden geworden
Zeigen neue alte Feinde.
Feuer frei. Mein Finger
Verweigert das Krümmen.
Mein Kopf widersetzt sich.
Mein Herzschlag ist schräg.
Meine Haut wird verkauft.
Nie will ich dabeisein.
Wiedergutmachen heißt es
Dann. Gutwillig mache ich
Gut. Was andere schlecht
Machten. Schon verkaufen
Sie meine Haut. In der
Ich stecke. Warum?
In der Lübecker Grass-Ausstellung, seiner Militärzeit gewidmet, wie die Zeitung am 20.10. 2014 mitteilt, werde ich aus dem Jahr 1961 zitiert, als ich orakelte: »Günter Grass. Erster Eindruck: Mütter hütet eure Töchter.« So freundlich war ich damals. Später etwas weniger. Am 18 8.2006 ging es genauer zur Sache:
Ein Redakteur braucht meinen Lebenslauf. Ich liege in der Klinik, verkabelt und versehen mit allerlei Schläuchen, nahezu bewegungsunfähig. Ingrid schreibt, wie so oft, für mich. Wer könnte die Fragen besser beantworten als eine Frau, die es seit 1953 mit einem wie mir aushält.
Robert Neumann kennen. Denn ein Land verliert erst sein Gedächtnis, bevor es sein Bewusstsein verliert. In den sechziger Jahren versuchte ich, die Emigranten und Remigranten ›zu vernetzen‹. Mit dem Hintergedanken eine neue Weltbühne-Mannschaft zuwege zu bringen, reiste ich umher, besuchte Fritz Sternberg, Jean Amery, Fritz und Leo Bauer, Manès Sperber und wen es sonst noch gab von der alten jüdischen Linksintellektuellengarde.« Die Welt merkte damals an: »Zwerenz und seine jüdische Garde.« GZ und die Sachsen: Er schrieb in Büchern und Artikeln oft über Land und Leute, hält die Ostdeutschen für unterbewertet und sucht sie zu animieren, sich auf ihre Stärken zu besinnen, an denen es nicht fehlt …
Der Klinik entronnen lese ich daheim Ingrids Beitrag zu einer »stellvertretenden Autobiographie«. Vergessene Details werden lebendig, ein anderer Blick schafft erneuten Respekt vor der Pluralität der Erinnerung trotz Gemeinsamkeiten. Der IZ-Text ist im Gundtenor friedlicher als ich es bin. Vielleicht sollte sie meine gesamte Biographie schreiben und ich könnte faulenzen. Könnte ich? Im Nachruf 10 wird aus Wolfgang Eckerts Gedichtband Rettet die Clowns zitiert. Der in Meerane Vereinsamte und dennoch nicht Resignierende berichtet von einem »Traum wie es wäre, wenn es mit einem Schlag auf der ganzen Welt kein Militär mehr gäbe. Mit einemmal hätten Generäle und Offiziere keinerlei Bedeutung. Das Gerassel ihrer Waffen wäre verstummt. Keine Söldner mehr, keine Auslandseinsätze mit fragwürdigen Begründungen und der fadenscheinigen Heiligsprechung durch den Begriff Mission. Keine Waffenproduktionen und lukrativen Waffenverkäufe. Über Nacht hätten alle Kriegsminister ihre Arbeit verloren. Keiner hätte mehr Gelegenheit zu sagen, sein Land werde bedroht. Und die Militärattachés und Diplomaten, die Vertreter der Machtansprüche ihrer Brotgeber müssten den schwierigen Umgang mit dem Wort Frieden lernen. Aus den zappelnden Stechschritten mit gezogenen Degen und den zackigen Paraden ganzer Karrees in Stahlhelmen würde der Übergang zum Dreivierteltakt des Walzers die schwierigste, aber doch heilsamste Tanzstunde der Menschheit.«
Dieser friedliche Traum ist im neuen Kriegszeitalter zugleich naiv und höchst raffiniert, ein Exempel clownesker Realphantasien wie in Eckerts Gedichtband eingefangen. Vor kurzem fragte der Kollege aus dem Karl-May-Land höflich, ob er durch die nahe Pleiße schwimmen dürfe. Großmütig feuerte ich ihn dazu an. Es wäre ein Weltrekord bei 20 cm Wasserstand. Allerdings gibt`s auch Hochwasser. Da kommen selbst wir Clowns nicht zu Fuß im Fluss ans andere Ufer.
Zu Anfang dieses Nachrufs 48 zitieren wir aus der Zeitung Die Welt den ehemaligen Pflasterstrand-Revoluzzer Reinhard Mohr mit seinem geschmackvollen Bonmot über die berühmt-berüchtigte Unterschriftenlisten von Abendroth bis Zwerenz… Frage: wieso berühmt-berüchtigt? Es ging gegen Wiederaufrüstung und Atomraketen, Berufsverbote … Mehr als zwei Jahrzehnte lang galt: Der Geist weht links … Das kann Mohr in Springers Welt selbstverständlich nur für berüchtigt halten. Abendroth wie Zwerenz hatten sich noch zu Hitlers Zeiten gegen den Führer gewandt, was ihre Berühmtheit so ärgerlich wie berüchtigt machte. Zumal der Geist nun nicht mehr links weht, sondern verweht. Wir erinnern uns, zum Volkstrauertag 1986 verkündete Alfred Dregger im Deutschen Bundestag: »Wer sich in dieser ausweglosen Situation dafür entschieden hat … dem Kriegsgegner bis zuletzt zu widerstehen, der hat für seine Person eine ehrenvolle Wahl getroffen. Das gilt insbesondere für die Soldaten des deutschen Ostheeres, die in den letzten Monaten des Krieges die Flucht von Millionen Ostdeutschen vor der Roten Armee zu decken hatten.« Frage: Hielt Dregger seine NSDAP-Mitgliedschaft deshalb so geheim, weil er auf eine neue Ostfront hoffte, wie sie inzwischen emsig restauriert wird?
Die Kohl-Schwan Protokolle beleben den matten 14er Bücherherbst. Merkel: »Wir haben vieles richtig gemacht.« Kohl-Schwan: »Die Merkel hat keine Ahnung.« Aber auch: »Die Verbindlichkeit des Geschriebenen« So der FAZ-Leitartikel von Edo Reents. Und: »Es werden die Räume enger und die Zeiten knapper, in denen Besinnung keimen kann.« Das trifft Innen- wie Außenpolitik. Sikorski, polnischer Ex-Außenminister, entschuldigt sich für seine Lüge, Putin habe die Ukraine mit Polen teilen wollen. Soviel zur Politik. Nun zur Kultur: Am 23.10 2014 in der FAZ Martin Walsers Erwiderung an Peter Hamm oder Ich sehne mich nach Reich-Ranicki. Der ist himmelwärts abgetreten. Warum also die poetischen Martin-Zeilen an Peter Hamm? Der Frechdachs am 16.10. im selben Blatt: »Solche wie mich verachte ich – mich aber nicht.« Das ist von Hamm akkurat zitiert aus Walsers Tagebüchern, diesen superben Innenansichten deutscher Nachkriegskultur-West. Stichwort: Verachtung. Wer verachtet wen? Als ob sich das lohnte. Dem 1. Weltkrieg folgte immerhin nicht nur Ernst Jüngers Stahlgewitter, es gab auch eine achtbare deutsche Antikriegsliteratur. Seit dem 2. Weltkrieg dominieren Ablasshändler und die Krieger Gottes mit neugeformten Stahlhelmen. Denn es gibt keine Versicherung gegen Wiedergeburt. Nimm vom Staat die freie Kultur weg und es bleiben seine mafiösen Strukturen mit religiöser Beweihräucherung.
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Hermann Kant
Der Aufenthalt
Ein starkes Buch nach dem 2. Weltkrieg |
Im publizistischen Untergrund rumort es. Udo Ulfkotte geht um, sieht die deutsche Pressefreiheit in Gefahr, hat laut on dit drei Herzinfarkte überstanden und hofft auch das Erscheinen seines neuesten Buches zu überstehen. Der Titel hält nicht hinterm Berg, Gekaufte Journalisten steht auf dem Cover – sieht so die Wahrheit aus? Die seriöse Presse schweigt ge- und betroffen, also ist es wohl wahr und muss totgeschwiegen werden, was nicht gelingen dürfte, zu toll die Tollheiten des Aussteigers. Wir wollten in diesem Nachruf 48 mit Leipzig enden und bekommen vom Autor im Netz rabiate kritische und selbstkritische Kommentare zu lesen:
Udo Ulfkotte im russischen TV:
›Wie ich lernte zu lügen.‹
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Udo Ulfkotte
Pressebetrieb durch einen
Insider rigoros enthüllt –
Mainstream reagiert bis jetzt
mit verbissenem Schweigen |
Haben auch Sie das Gefühl, häufig manipuliert und von den Medien belogen zu werden? Dann geht es Ihnen wie der Mehrheit der Deutschen. Bislang galt es als »Verschwörungstheorie«, dass Leitmedien uns Bürger mit Propagandatechniken gezielt manipulieren. Und nun enthülle ich, was wirklich hinter den Kulissen passiert. Ich schäme mich heute dafür, dass ich 17 Jahre für die Frankfurter Allgemeine Zeitung gearbeitet habe. Bevor ich die geheimen Netzwerke der Macht enthülle, übe ich konsequent Selbstkritik. Ich dokumentiere zum ersten Mal, wie ich für meine Berichterstattung in der FAZ geschmiert und die Korruption gefördert wurde. Und ich enthülle, warum Meinungsführer tendenziös berichten und wie der verlängerte Arm der NATO-Pressestelle Kriege medial vorbereitet. Wie selbstverständlich wurde ich als FAZ-Autor in die Netzwerke amerikanischer Eliteorganisationen aufgenommen, erhielt im Gegenzug für positive Berichterstattung in den USA sogar eine Ehrenbürgerurkunde. Ich beschreibe, in welchen Lobbyorganisationen welche Journalisten vertreten sind, nenne Hunderte Namen und blickt auch hinter die Kulissen jener Organisationen, welche unsere Medien propagandistisch einseitig beeinflussen, etwa: Atlantik-Brücke, Trilaterale Kommission, German Marshall Fund, American Council on Germany, American Academy, Aspen Institute und Institut für Europäische Politik.Enthüllt werden zudem die geheimdienstlichen Hintergründe zu Lobbygruppen, die Propagandatechniken und die Formulare, mit denen man etwa bei der US-Botschaft Fördergelder für Projekte zur gezielten Beeinflussung der öffentlichen Meinung in Deutschland abrufen kann. Können Sie sich vorstellen, dass Geheimdienstmitarbeiter in Redaktionen Texte verfassen, welche dann im redaktionellen Teil unter den Namen bekannter Journalisten veröffentlicht werden? Wissen Sie, welche Journalisten welcher Medien für ihre Berichterstattung geschmiert wurden? Und haben Sie eine ungefähre Vorstellung davon, wie renommierte »Journalistenpreise« vergeben werden? Da geht es im Hintergrund zu wie bei den einstigen Ehrungen der »Helden der Arbeit« in der früheren DDR, da wird Propagandaarbeit ausgezeichnet. Vom Journalisten zum Propagandisten ist es nicht weit. Am Ende wird klar: Meinungsvielfalt wird jetzt nur noch simuliert. Denn unsere »Nachrichten« sind häufig reine Gehirnwäsche. Und deshalb unterstütze ich Aktionen wie den Tag der Wahrheit.«
Nachfragen bei Merkel in Berlin und Putin im Kreml bleiben unbeantwortet. Wir geraten unter Zeitdruck. Udo U. geläutert und gesundet liefert ein deftiges Stück seiner aktuellen Autobiographie. Das passt zu unserem Genre und Metier im poetenladen. Oder bietet der Autor U.U. nur einen der üblichen Krimis an, die alle längst als bürgerlichen Alltag akzeptierten?
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